Ehrenamt
Allein unter Männern: Die einzige Feuerwehrfrau von Hepsisau

Nach einem Großbrand in ihrer Straße setzte Selina Wolferstätter eine lang gehegte Idee in die Tat um: Sie trat in die Feuerwehr ihres Heimatortes ein. 

Selina Wolferstätter ist stolz, dass sie es bei der Feuerwehr geschafft hat und empfiehlt jungen Frauen, es einfach auszuprobieren.  Foto: Carsten Riedl

Die Komödie „Allein unter Frauen“ war in den 90er Jahren ein Kinoerfolg. Der Film mit Selina Wolferstätter in der Hauptrolle könnte „Allein unter (Feuerwehr-)Männern“ heißen. Sie ist vor sechs Jahren in die Rolle als einzige Frau der Feuerwehr Hepsisau geschlüpft. Die war ihr aber keineswegs in die Wiege gelegt worden. Zwar ist Bruder Maximilian schon lange bei den Floriansjüngern des Weilheimer Teilortes dabei. Doch Selina traf ihre Entscheidung erst mit Anfang 30, der – im wahrsten Sinne des Wortes – Mannschaft mit 35 Männern beizutreten. 

„Ich fand es schon immer spannend“, erzählt sie von ihrer Begeisterung für die Feuerwehr, die sie etwa seit ihrer Teenager-Zeit hat. Doch habe es nicht ausgereicht, den Schritt früher zu gehen. Denn auch wenn sie im Kreise ihrer Freundinnen bei der ein oder anderen Interesse an ihrer Leidenschaft wecken konnte: Ernsthaft mitmachen wollte keine. Und dann waren da auch Bedenken bei Selina selbst. „Feuerwehr, das waren für mich immer große, starke Männer“, sagt sie. Die Hepsisauerin selbst ist mit 1,58 Meter Körpergröße eher zierlich. Dass sie all das lernen würde, was ein Feuerwehrmann oder eine Feuerwehrfrau können muss, konnte sie sich damals nicht vorstellen.

Dann kam die Nacht vom 1. auf den 2. April 2019: Genau in der Straße, in der Selina Wolferstätter wohnt, brannte es lichterloh. Die Werkstatt und Scheune einer Zimmerei in der Gartenstraße standen in Vollbrand. Die Flammen waren schon dabei, auf ein benachbartes Wohnhaus überzugreifen, als die Feuerwehr kam. Trotz aller Furcht um das eigene Haus war die damals 30-Jährige „geflasht“ von dem Einsatz der Brandbekämpfer, dem sie unmittelbar beiwohnte. „Mich hat beeindruckt, wie sehr man als Team helfen kann und wie koordiniert das alles ablief“, erinnert sie sich. Rückblickend sei es wohl dieses Ereignis gewesen, ihre Bedenken endgültig beiseite zu schieben und es zu versuchen.

Zugführer Michael Bäurle freut sich über die weibliche Verstärkung in seiner Abteilung. Foto: Carsten Riedl

Aufgenommen habe man sie ohne Vorbehalte, sagt sie. Dafür gab es anfangs eine Unmenge an Informationen. „Es gibt viele Dinge, die in der Grundausbildung auf einen zukommen“, sagt sie. Vor allem mit technischen Dingen hatte sie keine Erfahrung. Doch Selina Wolferstätter hat sich durchgebissen: „Ich wollte zeigen, dass man es schaffen kann.“ Die Kameraden haben ihren Teil dazu beigetragen. „Sprüche habe ich nicht bekommen“, sagt sie. Es müsse aber auch niemand darauf achten, was er für Witze erzählt. Auch der „Männerkalender“ im Vereinsheim hängt an der Wand. Die Räumlichkeiten sind beschränkt, eine eigene Umkleide für Damen gibt es im Gerätehaus nicht. Doch auch das stört Selina Wolferstätter nicht. „Zimperlich darf man natürlich nicht sein, dann geht man besser nicht zur Feuerwehr“, sagt sie lachend. 

Zeitaufwändiges Ehrenamt

Dass es nicht immer einfach ist, Familienleben und das aufwändige Ehrenamt unter einen Hut zu bringen, räumt die Feuerwehrfrau auch ein. „Das kostet Zeit“, sagt sie. Ihr Mann habe zwar keinen Bezug zur Feuerwehr, bringe aber Verständnis auf. Das wird seit der Geburt von Tochter Emilia häufiger mal benötigt. 

Alle zwei Wochen gibt es eine Übung, dann kommen neben der Bereitschaft für Notfälle noch Standarddienste hinzu, bei Festen oder dem Zehnweintrunk mit den Kameraden und Kameradinnen – dort gibt es mehrere Frauen in der Feuerwehr – aus Weilheim. Die Übungen sind enorm wichtig, das bestätigt auch der Hepsisauer Zugführer Michael Bäurle: „Routinen helfen, in kritischen Situationen richtig zu handeln.“ Dazu gehört etwa, mit Puppen die Reanimation zu üben. Einen schweren Einsatz mit Verletzten hatte Selina Wolferstätter noch nicht, sie fühlt sich aber gut vorbereitet, auch weil sie sich in einem guten Team weiß. 

Selina hat sich auf Atemschutzgeräte spezialisiert, hat diese auch schon bei anstrengenden Übungen getragen. Dabei hat sie durchaus Vorteile durch ihre Körpergröße, wenn es zum Beispiel durch enge Fensteröffnungen geht. Den Parcours bei den Übungen muss sie wie die Männer in einer bestimmten Zeit absolvieren. „Wenn wir eine Leistungsübung machen, ist es immer mein Ziel, für drei Jahre die Tauglichkeit zu bekommen“, sagt sie. Dafür muss sie bestimmte Werte schaffen.

Ihre Sorge war immer, es als einzige nicht zu schaffen, doch die sportliche 37-Jährige hat den Parcours bis jetzt immer einer guten Zeit absolviert. „Das ist für mich ein Benefit der Feuerwehr: Die Fitness“, freut sie sich. Mit dem Zusatznutzen, dass der Dienst bei der Feuerwehr um ein Vielfaches vielseitiger als ein Fitnessstudio ist. Dazu lernt sie auch immer wieder Neues. „Aktuell haben wir neue Geräte für die Bekämpfung von Vegetationsbränden bekommen“, sagt sie. 

Ihr Einsatz ist im Ort nicht unbemerkt geblieben. „Ich wollte zeigen, dass es auch eine Frau schaffen kann“. Wenn sie mitbekommt, dass sich Frauen interessieren, sagt sie immer: „Probiert es aus! Es fühlt sich einfach toll an, Teil eines Teams zu sein – geschlechtsunabhängig.“ Zwar sei sie schon lange Mitglied im Alpenverein, aber wo es so sehr um Menschen gehe wie bei der Feuerwehr, das sei noch mal etwas anderes.

Manchmal hält sie inne und überlegt, ob es richtig war, zur Feuerwehr zu gehen. Die Antwort fällt jedes Mal gleich aus: „Ich bin froh, dass ich es ausprobiert habe und ich will es weitermachen.“ Ihre Begeisterung hat sie auch schon ein wenig auf die nächste Generation übertragen, ihre Tochter bringt sie öfter Mal mit. „Emilia findet das toll. Sie war schon auf der Drehleiter.“ Es gibt also gute Chancen, dass die Zukunft der Hepsisauer Wehr noch weiblicher wird.