Wernau. Die Apfelernte 2019 war schlecht, deshalb ist nun beim Verein „Onser Saft“ die Apfelsaftschorle ausverkauft. Ganz so schlimm sei das aber nicht, sagt der erste Vorsitzende Klaus Grüdl. Denn die Halbliterflaschen würden vor allem bei Festen konsumiert, und diese Feste fallen aktuell meistens aus. Wichtiger sei, dass es die Literflaschen mit klarem und naturtrüben Apfelsaft und die Literflasche Apfel-Mango-Saft noch gebe.
Dass der Saft ausging, das gab es 2018 schon einmal, weil die 17erErnte so schlecht war. 2018 war sie wieder gut, die 2019er-Ernte erneut schlecht. Nur knapp 10 000 Liter Saft hat der Verein 2019 aus zwölf Tonnen Äpfeln produzieren lassen, das liegt weit unter dem langjährigen Schnitt. Für das laufende Jahr 2020 erwartet Grüdl eine normale Ernte - sofern nicht eine sommerliche Dürre oder ein Frost dazwischenkommt. Aber nicht nur die Masse macht‘s, sondern auch Qualität und Geschmack. Hier profitiere der Verein davon, dass er in sechs Gemeinden vertreten sei, sagt Grüdl: Hochdorf, Köngen, Notzingen, Oberboihingen, Wendlingen und Wernau. Manche Wiese liege nahe beim Neckar, andere Wiesen liegen ein Stück höher, das gebe eine gute Mischung. Ein Teil der jährlichen Saftproduktion wird direkt nach der Ernte in Flaschen abgefüllt, der andere Teil landet in drei großen Tanks, die der Verein bei Boller Fruchtsäfte für sich reserviert hat.
Die jährlichen Wertungen beim landesweiten Streuobsttag Baden-Württemberg können sich sehen lassen: 2019 gab es für den klaren Apfelsaft den ersten, für den naturtrüben Saft und die Schorle jeweils den zweiten Platz. Beim Apfel-Mango-Saft verweigerte die Jury trotz hervorragender Wertungspunkte den ersten Platz, nach dem Motto „nicht schon wieder“: Denn der Verein hat auf diesen Platz schon fast eine Art Abo. Weil der Verein nur mit Direktsaft arbeitet, braucht seine Schorle keine Zusatzstoffe. Das Mangopüree stammt von Kleinbauern von den Philippinen und aus fairem Handel. Jeder Apfel, den „Onser Saft“ verarbeitet, kommt von den 170 Mitgliedern. Rund 80 Prozent der Mitglieder sind bio-zertifiziert, die anderen Mitglieder bekommen vom Verein Vorgaben, die ebenfalls der Bio-Qualität entsprechen. Die Mitglieder erhalten vom Verein einen Bonus von bis zu fünf Euro pro 100 Kilogramm Äpfel, das soll zur Pflege der Streuobstwiesen motivieren. Was Grüdl freut: Es kommen immer wieder jüngere Vereinsmitglieder hinzu. Wobei „jung“ relativ ist, gemeint ist ab etwa 50 Jahren. Bei manchem Mitglied schauen inzwischen die Kinder oder bereits die Enkel nach der Streuobstwiese.
Eine eigene Jugendarbeit kann der Verein nicht bieten, er macht aber jedes Jahr beim Wendlinger Sommerferienprogramm mit. Gemeinsam mit den Grünen bietet er im Februar einen Baumschnittkurs an. Wer vom Förderprogramm des Landes für den Baumschnitt profitieren will, muss normalerweise mindestens 100 Bäume haben und sich mit dem Antrag herumschlagen. Oder er tut sich mit anderen zusammen: Für seine Mitglieder stellt „Onser Saft“ einen Sammelantrag. „Bei der letzten Runde waren wir mit 1348 Bäumen dabei“, sagt Grüdl. Peter Dietrich