Weilheim · Lenningen · Umland
Allgaier steht erneut unter Druck

Wirtschaft Das Uhinger Unternehmen für Automotive und Verfahrenstechnik schwört seine Belegschaft auf harte Zeiten ein. Der Aufsichtsratschef bestätigt indirekt eine drohende Insolvenz. Von Susann Schönfelder und Joa Schmid

Dem Uhinger Autozulieferer Allgaier steht offenbar einmal mehr das Wasser bis zum Hals. „Die Belegschaft wurde auf harte Zeiten eingeschworen“, berichtet ein Mitarbeiter. Sollte sich die Situation in den kommenden Wochen nicht grundlegend verbessern, drohe dem Unternehmen die Insolvenz. Eine Befürchtung, die auch Scanny Cai, Gesellschafter der Westron Group und Aufsichtsratschef, nicht ins Reich der Gerüchte verbannt. Bei einem Treffen der Allgaier-Senioren hatte Cai in einer aufgezeichneten Video-Grußbotschaft den Ernst der Lage und eine mögliche Zahlungsunfähigkeit indirekt bestätigt.

Um das zu verhindern, werde die chinesische Westron Group, seit Sommer 2022 Mehrheitsgesellschafter des Uhinger Automobilzulieferers, weitere 20 Millionen Euro in die Restrukturierung stecken. Wenn es nicht gelinge, Allgaier wieder auf Kurs zu bringen, werde das Unternehmen unweigerlich in die Insolvenz rauschen, übersetzte der Betriebsratschef Stilianos Barembas die auf Englisch gehaltene Gruß-Botschaft Cais ins Deutsche.

Die Sorgen um die wirtschaftliche Schieflage der Uhinger mehren sich, auch in der Teckregion, wo zahlreiche Beschäftigte des Unternehmens leben. Schon einmal hatte es nicht gut ausgesehen: Im Jahr 2019 stand das Unternehmen gehörig unter Druck, Personalabbau war die Folge. Die Restrukturierung und Neuausrichtung zwischen 2020 und 2022, zu der die Belegschaft einen großen Beitrag geleistet hatte, erfolgte unter erschwerten Bedingungen. Erst kam Corona, dann Rohstoffengpässe und dann der Krieg in der Ukraine. Dies führte zu Umsatzrückgängen in beiden Geschäftsbereichen, hatte das Unternehmen im vergangenen Sommer erklärt.

 

Blatt hat sich gewendet

Nach schwierigen Jahren schien es wieder aufwärtszugehen. „Die Finanzen konnten stabilisiert und die Abläufe in der Fertigung sowie die Qualität maßgeblich verbessert werden“, blickt ein früherer Mitarbeiter zurück. „Es war ein Gefühl von ,wir packen das‘, und Hoffnung war in der Belegschaft vorherrschend“, sagt er. Nun hat sich das Blatt wieder gewendet. „Ich gebe der Firma Allgaier noch ein Jahr“, berichtet der Ex-Mitarbeiter, der im Geschäftsbereich Automotive in einem fertigungsnahen Sektor tätig war. Seit dem Einstieg der Westron Group „geht es stetig bergab“, erzählt er. Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Eigentümers sei gewesen, einige Führungskräfte zu entlassen. Weitere Chefs hätten das Handtuch geworfen oder seien gekündigt worden. Die Folge: Know-how sei verloren gegangen. Und es habe dazu geführt, „dass niemand mehr für etwas verantwortlich ist und niemand mehr wichtige Entscheidungen trifft“, kritisiert der ehemalige Angestellte. „Flotte Motivationssprüche“ in Rundbriefen – in einem sei kürzlich auf ein vorläufiges Defizit von 15 Millionen Euro im Automotive-Bereich hingewiesen worden – seien da wenig hilfreich. Zudem gebe es „wachsende Qualitätsprobleme und Kundenreklamationen“.

Das Unternehmen will die Vorwürfe so nicht stehen lassen und spricht von einer „normalen Fluktuationsrate“. Ziel sei es, eine Organisationsstruktur aus flachen Hierarchien zu schaffen. „Hierfür war das Allgaier-Management zu breit aufgestellt“, betont eine Sprecherin. Die Veränderung habe jedoch keinen Einfluss auf die Standorte: „Wir halten weiterhin an den bestehenden Standorten Uhingen, Laichingen und Mühlhausen fest – trotz der vielen Mitanbieter, welche verstärkt in Low-Cost-Countries produzieren.“ Auch zur Qualität äußert sie sich: „Selbstverständlich gibt es Kundenreklamationen. Eine Null-Fehler-Produktion wird nie möglich sein.“ In puncto Qualität habe sich Allgaier in den vergangenen neun Monaten stetig verbessert.

Aufsichtsratschef Scanny Cai betonte bei den Allgaier-Senioren aber, dass er dennoch zuversichtlich sei: Allgaier habe eine große Chance, weil Westron breit aufgestellt sei und vor dem Hintergrund der steigenden E-Mobilität auch eine große Palette von Batterietechnik anbiete.