Zwischen Neckar und Alb
Als es noch keine  Supermärkte gab

Führung Im Beurener Freilichtmuseum kann man sich anschaulich über das Leben vor 100 oder mehr Jahren informieren lassen – zum Beispiel bei der Führung „Einkaufen heute – Selbstversorgung früher“. Von Andreas Volz

Einkaufen bezeichnen viele als ihr Hobby, vor allem wenn es um Kleider oder Schuhe geht. Auch alle anderen Dinge des täglichen Bedarfs werden heutzutage eingekauft. Was auch immer jemand zuhause konsumiert – hergestellt wird fast alles in Fabriken, und verkauft wird es in Läden. Das war früher noch ganz anders: Die meisten Lebensmittel haben die Menschen selbst angebaut, wenn es sich um Obst und Gemüse handelte – oder selbst gehalten, wenn es um Fleisch, Eier oder Milchprodukte ging. Der Wandel hat sich innerhalb von ein, zwei oder maximal drei Generationen vollzogen, wie sich im Beurener Freilichtmuseum zeigt, bei der Führung „Einkaufen heute – Selbstversorgung früher“.

Gerade in den Sommerferien ist das Freilichtmuseum ein beliebter Ausflugsort für diejenigen, die gerade nicht im Urlaub sind. Alle Generationen sind deshalb auf dem Museumsgelände vertreten, und aus allen Generationen kommen auch die Teilnehmer an der Führung, die Susanne Krämer-Rabaa anbietet. Wenn sie ihre Milchkanne schwenkt, sehen die Kleinsten ein solches Blechgefäß mit Deckel, Henkel und Holzgriff wahrscheinlich zum ersten Mal. Ein älterer Mann, der zufällig vorbeikommt, erzählt spontan: „Früher haben wir die Milch immer in der Kanne geholt. Da hat es ja noch keinen Supermarkt gegeben.“

Genau das ist das Thema der Führung. Susanne Krämer-Rabaa lässt aufzählen, was heute alles gekauft wird: Kleidung, Schuhe, Lebensmittel, Möbel, Drogerieartikel, Schreibwaren, Spielsachen, Handys. Bis auf die Handys hat man diese Dinge auch vor 100 und mehr Jahren schon gebraucht. Man hat vieles davon aber selbst hergestellt oder eben bei einem Handwerker in Auftrag gegeben.

Einer dieser Handwerker war der Schreinermeister Walz, dessen Haus sich heute im Freilichtmuseum befindet. Der Schreiner hat Möbel auf Bestellung gefertigt, wie die Gästeführerin berichtet: „Wenn nichts kaputtgegangen ist, hat man diese Möbel ein Leben lang genutzt.“ Selbst am Lebensende war der Schreiner wichtig, weil er auch die Särge angefertigt hat. Zur Auslieferung von Schränken, Betten oder Särgen hatte er einen Lieferwagen – aber keinen allzu großen, und schon gar keinen mit Motor: Es war ein Handkarren mit großer Ladefläche.

Fließend Strom und Wasser

Trotzdem ging es im Haus des Schreiners schon modern zu, denn die Zeit, die das Museums­team dort darstellt, liegt gerade mal 100 Jahre zurück. „Es gab schon Strom und einen Wasseranschluss. Allerdings gab es nur einen einzigen Wasserhahn im Haus – in der Küche.“ Egal, wofür man Wasser brauchte, man musste es dort holen. Und das war ein großer Fortschritt, weil man es nicht mehr vom Brunnen herschleppen musste. Für das Klo, das irgendwann ans Haus angebaut wurde – auch das ein gewaltiger Fortschritt –, gab es allerdings noch keine Wasserspülung. Was dort hineinfiel, landete in einer Grube, die regelmäßig gereinigt wurde: zunächst mit der Schippe, später dann mithilfe von Pumpen.

Ähnlich spärlich wie das Wasser floss auch der Strom im Haus: Er wurde noch nicht für alle möglichen Geräte benötigt, wie sie heute in jedem Haushalt unabdingbar sind. Die meisten Geräte waren noch gar nicht erfunden. „Die Wäsche war richtig harte Arbeit“, erzählt Susanne Krämer-
Rabaa. Oft habe man auch nur alle vier Wochen gewaschen. Die Wäsche war häufig weiß, denn Weiß ließ sich am besten waschen und bleichen. Schürzen waren deshalb besonders wichtig, selbst bei Kindern in der Schule. Die Schürzen ließen sich waschen, und die Kleidung darunter blieb sauber.

Kühlschränke, Gefriertruhen? Dafür gab es den Keller mit seiner konstanten Temperatur. Rüben lagerten in einem Sandhaufen. Obst wurde eingekocht, andere Lebensmittel – Fleisch oder Kraut – mit Salz haltbar gemacht. Im Keller lagerten auch der Most und der Wein in Fässern. Beim Bier war das ganz anders. Wer zuhause Bier trinken wollte, hat es sich offen ausschenken lassen – und wieder einmal kam die gute alte Milchkanne zum Einsatz.

Das selbstgebackene Brot wurde ebenfalls im Keller gelagert: auf einem Brett, das von der Decke hing, damit die Mäuse nichts annagen konnten. Allerdings durfte das Brot seit ungefähr 1780 nicht mehr zuhause gebacken werden – wegen der Brandgefahr. So entstanden in Württemberg die Backhäuser als Gemeindebacköfen.

Backen war zuhause verboten

Feuer ist das Thema, mit dem die Führung zu Ende geht: Als es noch keine Streichhölzer gab, mussten die Menschen mittels Feuerstein und Schlageisen Funken erzeugen, die Zunder, Sägmehl oder Stroh in einem Eimer entzünden sollten. Nicht alle Materialien zum Feuermachen standen in der näheren Umgebung zur Verfügung. Wer das nicht auf einem Markt besorgen konnte, wartete auf Hausierer. Die waren quasi die Vorläufer des Internethandels.