Zwischen Neckar und Alb
„Als Koch und Gastronom ist er erledigt“

Auszeichnung Der Stern für die geschlossenen Alte Vogtei wirft ein schlechtes Licht auf den Guide Michelin. Gegen den Ex-Betreiber wird ermittelt. Von Gerd Schneider

Es ist ein Ritual, das der Michelin-Führer alle Jahre wie eine heilige Messe zelebriert: Die Feinschmecker-Bibel verkündet unter großem Mediengetöse die frohe Botschaft, welche Restaurants mit wie vielen Sternen ausgezeichnet wurden. Doch dieses Mal lief etwas schief. Mit der Alten Vogtei in Köngen wurde ein Restaurant gekürt, das seit Sommer geschlossen ist. Entsprechend fiel das Medienecho aus. Der Fall machte in den vergangenen Tagen über die Grenzen Deutschlands hinaus Schlagzeilen. „Ein Stern für ein - hups! - geschlossenes Restaurant“ titelte Spiegel Online, und das Online-Portal „Gourmetwelten“ fragt: „Der Michelin und das Restaurant Alte Vogtei - Wird der Skandal zum Betrugsfall?“

Tatsächlich ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen Betrugs gegen Lars Volbrecht. Er betrieb das Lokal in Köngen mit seiner Frau Nadine, ehe sie im vergangenen Juli mit Sack und Pack in die Schweiz gingen. Die beiden hinterließen offenbar eine Reihe unbezahlter Rechnungen und Forderungen, wie die Besitzer der Alten Vogtei und auch frühere Mitarbeiter Volbrechts bestätigten. Zudem meldete sich auch eine Frau aus Wolfschlugen, die Volbrecht ihr Haus vermietet hatte. Sie macht ebenfalls ausstehende Mietzahlungen geltend.

Besonders bitter stieß es in der Gastronomie-Szene auf, dass Volbrecht zur Michelin-Präsentation nach Berlin gekommen war und sich dort in Kochkluft für den Stern feiern ließ. Noch am gleichen Abend verbreitete er das Bild in den Sozialen Netzwerken. Er und sein Team hätten den Stern für die „tägliche Leidenschaft und Passion“ bekommen, schrieb er. Inzwischen ist sein Konto bei Facebook gelöscht. Die Berichterstattung über die Stern-Posse nannte Volbrecht in einer E-Mail „eine Frechheit“ und drohte mit einer Anzeige wegen Verleumdung. In einer weiteren E-Mail verbreitete er: „Ich benötige den Stern nicht. Es war für mich eine Ehrung für die Leistung in der Vergangenheit mit dem Team und nicht für den Moment. Hätte ich gewusst, was das für Ausmaße annimmt, hätte ich den Stern nicht angenommen.“

Kritik an den Kritikern

In der Kritik steht auch die Redaktion des „Guide Michelin“. Eine Sprecherin betonte zwar, die Betreiber hätten Michelin bis zum Schluss im Glauben gelassen, die Alte Vogtei werde saniert und sei nur vorübergehend geschlossen. „Aber liest der Michelin keine Zeitung? Recherchieren die Tester nicht? Ist niemandem die monatelange Schließung aufgefallen?“, fragt Wolfgang Faßbender, einer der renommiertesten deutschsprachigen Kulinarik-Autoren, in seinem Blog. Nach seiner Einschätzung gehöre zur gründlichen Recherche von Restaurantführern zwingend „ein Last-Minute-Check“ - und „vor allem die Entscheidung, im Zweifelsfall eben nicht aufzunehmen oder zu ehren“. Und der kulinarische Reiseführer „Gusto“ schreibt auf seiner Homepage mit feiner Ironie: „Mit großem Erstaunen haben wir zur Kenntnis genommen, dass der Guide Michelin das Restaurant Alte Vogtei in Köngen, das wir vor über einem halben Jahr aus unserem Guide gestrichen hatten, in der aktuellen Ausgabe mit einem Stern auszeichnet.“

Was passiert nun mit dem Stern für Volbrecht? Laut Michelin-Redaktion habe man noch keine Gelegenheit gehabt, mit Volbrecht zu sprechen und seine Sicht der Dinge zu hören. Das Buch sei gedruckt und lasse sich nicht mehr korrigieren. Der Eintrag auf den digitalen Kanälen zur Alten Vogtei wurde inzwischen gelöscht. Immerhin.

Wie es mit Volbrecht weitergeht, ist ungewiss. Angeblich will er mit seiner Frau im Mai in der Nähe von Chur ein Gourmet-Restaurant eröffnen. Für Juni ist am Arbeitsgericht Stuttgart ein Prozess terminiert, bei dem sich Volbrecht und seine früheren Köche in Köngen gegenüberstehen. Zu seinen Gläubigern gehört auch Patrick Bonomi, der unter anderem die Villa Behr in Wendlingen betreibt. Er war Volbrechts Vorgänger in der Alten Vogtei. In der Gastronomie-Szene glaubt man nicht, dass Volbrecht als Restaurantbetreiber eine Zukunft hat. „Nach dieser ganzen Geschichte mit dem Michelin-Stern ist sein Ruf kaputt“, sagt einer aus seinem früheren Team, „in meinen Augen ist er als Koch erledigt.“