Weilheim und Umgebung
Am 29. April ist „Tag der Streuobstwiese“: Nachgefragt bei Rudolf Thaler

Region Streuobstwiesen gibt es nur, weil Menschen bereit sind, sie zu bewirtschaften. Doch gesetzliche Vorgaben und veränderte Freizeitinteressen erschweren den Generationenwechsel, wie Rudolf Thaler, Vorstandsvorsitzender beim Obst- und Gartenbauverein Bissingen, erklärt. Von Daniela Haußmann

 

Das 2020 verabschiedete Biodiversitätsgesetz soll Streuobstbestände stärken. Ist das realistisch?

Nicht nur das Bio­diversitätsgesetz, sondern auch andere Rechtsvorschriften haben die richtigen Ziele, aber die falschen Ansätze. Sie bringen wenig, wenn der Generationenwechsel in der Kulturlandschaft nicht gelingt. Viele junge Leute sind nicht mehr bereit, sich körperlich und auf Dauer in der Landschaftspflege zu engagieren. Es fehlt an Strategien, um sie in ihrer Lebenswelt abzuholen. Außerdem sieht das Bio­diversitätsgesetz ein Verbot chemisch-synthetischer, aber auch biologischer Pflanzenschutzmittel in Schutzgebieten vor.

Ist das ein Problem?

In vielen Schutzgebieten ist der Streuobstanbau ein fester Bestandteil für deren Erhalt. Qualitativ hochwertige Früchte und die Entwicklung junger Setzlinge zu vitalen und widerstandsfähigen Bäumen werden ohne Pflanzenschutzmittel durch eine Vielzahl von Schädlingen und Krankheiten erschwert. Die Gefahr, dass Gütlesbesitzer aufgeben, steigt, weil der Aufwand auf ihren kleinen Flächen in gar keinem Verhältnis mehr zum Ertrag steht. Bewirtschafter müssen sich ohnehin in Kursen für die streng geregelte Anwendung von Schutzmitteln schulen lassen, um naturschutzfachlichen Anforderungen zu genügen. Obstwiesen zählen zu den artenreichsten Lebensräumen, weil sie bewirtschaftet werden. Das sollte bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen berücksichtigt werden.

Welche Bedeutung haben Obstwiesen auf Landschaftsebene?

Durch die Flurbereinigung sind viele Strukturelemente, wie Sträucher, Hecken oder Feldraine, verschwunden. So fehlen in der Landschaft wichtige Trittsteinbiotope, die für das Überleben von Arten wichtig sind, weil sie Wander-, Wiederbesiedelungs- und genetische Austauschprozesse zwischen unterschiedlichen Biotopen, Ökosystemen und Artenvorkommen überhaupt erst möglich machen. In der vielerorts ausgeräumten Landschaft übernehmen Streuobstwiesen diese Vernetzung. Außerdem sind sie ein natürlicher Hochwasserschutz, schaffen an Hitzetagen Klimaausgleich und bieten gerade Gemeinden im Bereich des Lenninger Sattelbogens Windschutz.