Vor Kurzem hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein Neubaugebiet in Gaiberg im Rhein-Neckar-Kreis gestoppt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hatte gegen die beschleunigten „13b-Bebauungsplanverfahren“ geklagt. Das beschleunigte Verfahren sei mit dem Europarecht nicht vereinbar, hat das Gericht entschieden. Gehört auch Neidlingen zu den betroffenen Kommunen?
Nein, sagt der Neidlinger Bürgermeister Jürgen Ebler. Denn der Satzungsbeschluss für das Neubaugebiet Schießhütte sei zwar im 13b-Verfahren, aber bereits im Februar 2022 erfolgt. Als der BUND seine Normenkontrollklage eingereicht habe, sei bereits mehr als ein Jahr vergangen, die einjährige „Rügefrist“ damit abgelaufen gewesen. Ganz auf der sicheren Seite sei die Gemeinde allerdings erst, wenn in den nächsten Wochen die Urteilsbegründung vorliege. Doch Ebler hat für alle Fälle noch einen weiteren Trumpf in der Hinterhand, den er dem fleißigen Landratsamt Esslingen verdankt. Dieses habe, obwohl im beschleunigten 13b-Verfahren so nicht vorgeschrieben, freiwillig eine vollumfängliche Umweltprüfung vorweggenommen.
Zwei Umweltverbände, zwei Rechtsverfahren
Die Klage des BUND ist das eine, der Widerspruch des Landesverbands des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) gegen die Genehmigung nach Paragraf 33a des Landratsamtes das andere: zwei Umweltverbände, zwei Rechtsverfahren. Diese „Umwandlungsgenehmigung“ nach 33a braucht eine Gemeinde, die auf einer Streuobstwiese bauen will. Im Fall von Neidlingen hat das Landratsamt am 18. April die „sofortige Vollziehbarkeit“ angeordnet. Das „sofort“ gilt in diesem Fall allerdings erst am 2. Oktober: Bis 30. September verbietet die Vegetationsperiode Fällungen, der 1. Oktober ist ein Sonntag. Nach aktuellem Stand geht die Gemeinde Neidlingen davon aus, dass sie am 2. Oktober mit der Erschließung des Baugebiets beginnen kann. Das würde die Fällung von 19 Obstbäumen bedeuten, für die die Gemeinde aber an anderer Stelle bereits einen ökologischen Ausgleich geschaffen hat. Dafür geeignete Flächen gibt es in Neidlingen genug, etwa auf bisher nicht mehr bewirtschafteten und von Verwilderung bedrohten Streuobstwiesen.
Sehr weit weg voneinander sind der Nabu und die Gemeinde Neidlingen eigentlich gar nicht. Beide wissen, dass es in Neidlingen künftig keine neuen Baugebiete mehr geben kann, denn die Gemeinde ist von lauter Schutzgebieten umgeben. Der Streitpunkt ist im Kern nur, ob „vor der Schießhütte“ oder „nach der Schießhütte“ Schluss ist. „Das ist die einzige Fläche, die Neidlingen noch hat“, sagt Ebler.
Gesetzgeber soll Klarheit schaffen
Auch das Baugebiet Lüxen in Brucken kämpft derzeit mit beiden Rechtsverfahren. „Unser großes Problem ist weiterhin der Widerspruch des Nabu-Landesverbands gegen die Genehmigung nach Paragraf 33a des Landratsamtes, der immer noch alles blockiert“, sagte Bürgermeister Michael Schlecht gegenüber dem Teckboten. Aber der Bebauungsplan sei auch auf Grundlage des beschleunigten Paragraf 13b Baugesetzbuch erstellt worden.
„Welche Auswirkungen das BVG-Urteil auf den Bebauungsplan hat, wissen wir noch nicht konkret.“ Dazu müsse noch die Urteilsbegründung abgewartet werden. Dann sei klar, welche Fallkonstellationen betroffen seien und wie eventuelle Mängel geheilt werden könnten. Vor allem sei nun der Gesetzgeber aufgefordert, Klarheit zur Anwendung des Paragrafen 13b zu schaffen.