Klimawandel
An heißen Tagen in der Kirche Abkühlung finden

Auch im Landkreis Esslingen wird es immer wärmer. Kirche und Stadt überlegen sich, wie man neben offenen Türen, kostenlosem Wasser und attraktiven Freiflächen noch Abhilfe schaffen kann. 

Die Kirchheimer Martinskirche ist in der interaktiven Karte für kühle Orte des Landkreises Esslingen aufgeführt. Foto: Carsten Riedl

Wer kennt es nicht: An heißen Tagen, an denen die Temperaturen die 30-Grad-Marke locker knacken, wünscht man sich nichts sehnlicher, als einen Moment der Hitze zu entkommen. Carolin Herdtle ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Gesundheitsamt im Landkreis Esslingen und weiß: „Auch der Landkreis Esslingen hat mit extremer Hitze zu kämpfen.“ Dabei handle es sich um keine Ausnahme, sondern um einen systematischen Anstieg der Jahresmitteltemperatur. Deshalb hat sich der Landkreis dazu entschieden, zu handeln: Eine interaktive Karte, auf der kühle Orte schnell und unkompliziert zu finden sind, ist im Juni 2024 online gegangen, sagt Herdtle beim digitalen Infoabend zum Thema „Hitzestress – Kirchen als Oasen“.   

Von starker Hitze sind, so Carolin Herdtle, nicht nur Risikogruppen wie ältere Menschen betroffen, sondern alle Bürgerinnen und Bürger. Vor allem Städte würden sich aufgrund der Bebauung besonders stark aufheizen. Kirchen sind aufgrund ihrer meist zentralen Lage und ihrer kühlen Innenräume ein wichtiger Bestandteil der interaktiven Karte. Ebenso sind etwa Trinkwasserbrunnen, Freibäder, Badegewässer und schattige Orte aufgeführt. 

Geselligkeit in der Martinskirche

Jochen Maier, der Pfarrer an der Kirchheimer Martinskirche, weiß: Auch die Kirche in der Altstadt ist Teil der Kühle-Orte-Karte. Sie habe als spätgotische und damit alte Kirche das Potenzial, im Sommer kühl zu bleiben. Die Notwendigkeit, den Menschen auch bei Hitzewellen einen Raum zum Abkühlen zu bieten, bestätigt er und betont: „Unsere Kirche ist seit über zwei Jahrzehnten geöffnet.“ Das Ziel sei es, den Menschen einen Raum zu bieten, in dem sie Ruhe finden oder beten können. „Ich finde, die Ansätze passen gut zusammen: Ich finde Ruhe und kühle mich ab.“ Dabei spiele aber auch die Geselligkeit eine zentrale Rolle. Deshalb wurde, so Maier, bei der Renovierung der Martinskirche ganz bewusst ein Foyer geschaffen, in dem nun Bistrotische stehen und sich eine Kinderecke befindet. 

Klimaschutz auf die Fahne geschrieben

Dr. Kerstin Renz von der Evangelischen Akademie Bad Boll, die den Infoabend leitet, fragt bei Dr. Beate Arman, der Klimaschutzmanagerin der Stadt Kirchheim, nach: „Funktioniert Klimaschutz zusammen mit der Kirche besonders gut?“ Das kann diese nur bejahen. Die Stadt Kirchheim habe sich schon seit vielen Jahren das Thema Klimaschutz auf die Fahne geschrieben. 2014 sein das erste Klimaschutzkonzept erarbeitete worden. Ein wesentlicher Bestandteil sei die Aufgabe, die Menschen aufzuklären. Besonders hierbei ist, so Arman, die Kirche ein wichtiger Kommunikationskanal. Darüber hinaus eine sie das Interesse, die Schöpfung bewahren zu wollen. 

Temperaturen mithilfe von Sensoren ermitteln

Im vergangenen Jahr hat die Stadt an 20 Orten Sensoren installiert, um die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur konstant messen zu können, sagt Beate Arman. Das Ergebnis: Der Kirchheimer Friedhof weist eine auffällig niedrige Temperatur auf, genauso wie die Grünanlage neben der Martinskirche – diese stelle sogar den kühlsten Ort in Kirchheim dar. Deshalb überlege die Stadt bereits, wie solche Flächen als Aufenthaltsorte noch attraktiver gestaltet werden können. Beate Armans Wunschvorstellung wäre zum Beispiel, dass die Menschen nach dem Besuch des Friedhofs die Möglichkeit hätten, an einem Wasserspender oder Ähnlichem mit Flüssigkeit versorgt zu werden. Jochen Maier weiß, sowas kommt gut an: In der vergangenen Woche hätten sie bereits Mineralwasser in der Martinskirche zur Verfügung gestellt. „Das wurde gerne angenommen.“ 

Die Kirche als kühlen Ort zur Verfügung zu stellen, ist auch mit Herausforderungen verbunden. Jochen Maier erklärt, dass es auch die Überlegung gebe, die kleine Kirche am Friedhof zu öffnen, aber das sei personell und organisatorisch nicht leicht zu stemmen. So müsse man bedenken, dass es immer jemanden geben müsse, der die Kirchen auf- und zuschließe, wofür es Ehrenamtliche brauche. Viele Kollegen hätten zudem Angst davor, die Kirchen zu öffnen, weil sie befürchten, dass etwas zerstört oder beschädigt werde. Der Pfarrer kann nur Mut machen: In den vergangenen 20 Jahren sei das nur vereinzelt passiert.