Die Coronakrise hat den Flughafen Stuttgart verändert. „Das Wachstum im Flugverkehr wie vor der Coronakrise wird es so nicht mehr geben“, sagt Andreas Schwarz, Grünen-Fraktionschef im Landtag von Baden-Württemberg und Landtagsabgeordneter im Wahlkreis Kirchheim. Er setzt sich dafür ein, den öffentlichen Nahverkehr rund um den Flughafen so auszubauen, dass der Verzicht aufs Auto möglich wird.
Die Fluggastzahlen erholen sich nur langsam. Flughafendirektor Walter Schoefer und andere Experten rechnen damit, dass erst 2024 wieder ein kontinuierliches Wachstum zu erwarten ist. Wäre das auch eine Chance, das Profil des Landesflughafens zu überdenken?
Andreas Schwarz: Ja, denn unser Klimaschutzgesetz sieht vor, dass wir Baden-Württemberg bis 2040 klimaneutral machen. Mit dem Fairport-Konzept haben wir hier schon gute Vorarbeit geleistet. Wir wollen damit den Flughafen Stuttgart zum ersten klimaneutralen Flughafen Deutschlands weiterentwickeln. Das Wachstum im Flugverkehr wie vor der Coronazeit wird es so nicht mehr geben. Der Wandel in der Arbeitswelt hat zu mehr Homeoffice, mehr digitalen Konferenzen und weniger Geschäftsreisen geführt.
Die Stuttgarter Flughafenchefs haben immer wieder darauf hingewiesen, dass gerade in Zeiten der Pandemie die Airports Unterstützung brauchen. Wie stehen Sie dazu?
Schwarz: Zu einer funktionierenden Infrastruktur im Land gehört auch der Luftverkehr. Ein wettbewerbsfähiger Luftverkehrsstandort ist Grundlage des weltweiten Außenhandels sowie der Tourismuswirtschaft. Daher war es richtig, dass Bund, Länder und Kommunen in dieser Ausnahmesituation den Airports geholfen haben. Dabei ist klar, dass das keine laufenden Finanzhilfen sein können. Vielmehr haben sich die Airports über den Kapitalmarkt zu finanzieren. Da unsere Flughafengesellschaft in Stuttgart gut gewirtschaftet hat, ist sie auch leichter an Kredite gekommen. Eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen sowie den Flughafengesellschaften sehe ich beim Vorantreiben des klima- oder CO2-neutralen Luftverkehrs. In Baden-Württemberg wollen wir da unsere Flughäfen bei Pilotprojekten unterstützen.
Das Projekt Stuttgart 21 wird die Verbindung von Schiene und Flug vereinfachen. Sollte man dann künftig nicht auf Kurzstreckenflüge verzichten?
Unser Ziel ist die Verlagerung von mehr Flugverbindungen auf die Schiene. Wir unterstützen daher die gemeinsamen Bemühungen von Deutscher Bahn und Luftverkehrswirtschaft, entsprechend attraktive Alternativen zu schaffen. Durch Stuttgart 21 bekommt der Flughafen einen Fernbahnanschluss. Der Flughafenbahnhof wird von Fern- und Regionalzügen ebenso angefahren wie von S- und U-Bahn-Linien. Die Buslinien aus der Region, die Relex-Expressbuslinien sowie der Fernbusbahnhof runden die Erreichbarkeit des Flughafens mit öffentlichen Verkehrsmitteln ab. Damit stellt der Flughafen eine Verkehrsdrehscheibe für die ganze Region dar. Und mit dem Ausbau der Schnellverbindungen auf der Schiene könnten dann künftig auch Kurzstreckenflüge eingespart werden.
Das Thema „nachhaltiger Flughafen“ treibt Stuttgart seit Jahren voran. Minister Winfried Hermann hat die Parole ausgegeben, dass Stuttgart „Deutschlands nachhaltigster Flughafen“ werden soll. Wie nahe ist man diesem Ziel denn gekommen?
Im Rahmen seiner Fairport-Strategie hat sich der Stuttgarter Flughafen dazu verpflichtet, ökologische und soziale Aspekte stärker in den Betrieb zu verankern, um den Flughafen nachhaltiger zu machen. Diese Konzeption werden wir weiter umsetzen und verstetigen. Nach dem neuen Klimaschutzgesetz muss der Flughafen bis 2040 klimaneutral sein. Mit dem Fairport-Konzept sind wir da auf einem guten Weg. Dazu wird ein ganzes Bündel von Maßnahmen umgesetzt.
Welche Projekte sind das konkret?
Die auffälligsten Ideen für den Klimaschutz sind die Nutzung von Ökostrom und die weitreichende Etablierung von Elektromobilität, zum Beispiel durch die elektrischen Vorfeldbusse. Umweltfreundlichen Strom produziert der Flughafen über Photovoltaikanlagen auf dem Gelände. Die Bodenabfertigung möglichst umweltschonend zu gestalten, ist ein Ziel. Passagiere und ihr Gepäck pendeln mit Elektrofahrzeugen und so völlig abgasfrei zwischen Terminal und Flugzeug. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen auch die Gebäude energetisch saniert werden. Darüber hinaus werden wir eine Initiative für klimafreundlicheres Fliegen starten und Projekte für den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen aus erneuerbaren Energien im Flugverkehr unterstützen. Dazu haben wir vergangenen Herbst ein Pilotprojekt auf den Weg gebracht, das die Herstellung erneuerbarer Kraftstoffe aus den CO2-Emissionen von Zementwerken und deren Einsatz erproben soll.
Mit dem Fernbahnhof, dem Fernbusterminal, den S-Bahnen, der Stadtbahn und den Flugzeugen ist der Flughafen eine Verkehrsdrehscheibe. Auch der Autobahnanschluss ist da. Allerdings stauen sich da die Autos. Was ist zu tun, um den Verkehr auf den Fildern zu entzerren?
Mein klares Ziel ist der Ausbau des Schienennetzes, um den Menschen eine echte Alternative zum Autoverkehr anzubieten, die Straßen zu entlasten und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Wir haben daher in der Koalition ein besonderes Augenmerk auf einen leistungsfähigen und zukunftsfähigen Eisenbahnknoten Stuttgart gelegt. Besonders der Stuttgart – Kirchheim – Express-Zug (StuKiX) hat großes Potenzial. So könnten Kirchheim und Wendlingen auf der Schiene mit den Fildern und dem Landesflughafen verknüpft werden.
Der Relex-Bus, den Sie mit aus der Taufe gehoben haben, ist aus dem Nahverkehrsangebot nicht mehr wegzudenken. Wollen Sie dieses Angebot ausbauen?
Die Relex-Busse sind ein Erfolgsrezept. Diese Schnellbusse schließen Lücken im Schienennetz und sind ein wichtiger Beitrag zur Anbindung der Mittelzentren einerseits und des Flughafens andererseits. Die vier Linien in der Region werden als sehr attraktive Verbindung wahrgenommen. Daher unterstütze ich sowohl die Ausweitung der Schnellbusstrecken als auch die Taktverbesserungen. Entscheidend ist doch, dass wir für Pendler interessante Angebote machen, damit wir sie zum Umstieg bewegen können.