Lenninger Tal
Angekommen

Neuanfang In der zweiten Saison betreibt Familie Hägele aus Neidlingen jetzt die Sulzlalm im österreichischen Lechtal. Die Schwaben haben viele Gäste aus der Heimat und wollen nicht mehr zurück. Von Irene Strifler

Der Schweiß steht dem Wanderer auf der Stirn, auch wenn‘s kein allzu heißer Sommertag ist: Wer die Sulzlalm auf 1466 Metern Höhe erblickt, hat einiges geleistet und einen spannenden, aber auch steilen Weg hinter sich gebracht. Zur Belohnung wird‘s erstmal lieblich: In beruhigendem Grün öffnet sich der weite Talkessel, durch den der Sulzlbach munter sprudelt. Dahinter jedoch türmen sich steil die Felswände der Berge auf, die sich der 3000er-Grenze nähern: die Holzgauer Wetterspitze, die Pleisspitze, die Feuerspitze und wie sie alle heißen.

Doch bis dahin ist es noch weit. Manch einer begnügt sich mit der einladenden Sulzlalm als Wanderziel, zumindest ein Einkehrschwung ist aber für jeden drin. Im Inneren des Holzhauses, das sich gemütlich in die Talmulde schmiegt, klappern Töpfe. Elfi Hägele ist gerade dabei, Teig für Tiroler Kaspressknödel zuzubereiten. Ganz nebenbei nimmt sie den appetitlich duftenden Topfenstrudel aus dem Ofen und vergewissert sich, dass die Kinder gut versorgt sind.

Die vierjährige Emma hat heute Besuch aus der Heimat, aus Neidlingen, und ist voll beschäftigt. Im Dorf am Albtrauf hat Familie Hägele bis vor gut einem Jahr gelebt. Viele kannten sie, weil sie auf den Wochenmärkten in der Umgebung ihre landwirtschaftlichen Produkte verkauft haben. Doch als die Bürokratie ihren Plänen vom Bau eines großen Aussiedlerhofes einen Strich durch die Rechnung machte, zogen sie auch einen Strich, einen Schlussstrich: Alle vier siedelten recht kurz entschlossen in eine einfache Almhütte über. Das Gebäude im österreichischen Lechtal hatte das Quartett zuvor noch nicht einmal gesehen.

Doch wie heißt es so schön? Wer wagt, gewinnt: Bereut haben die Hägeles ihren Schritt bis heute nicht. Elfi Hägele schmeißt mittlerweile routiniert die Küche auf der Sulzlalm und wirkt zwischen brodelnden Töpfen tiefenentspannt. Ihr Mann Armin bringt unterdessen Getränke zu den Tischen. Verschiedene Saisonkräfte gehen der Familie zur Hand, außerdem die 15-jährige Tochter Stefanie. Ob sie sich überhaupt in der ländlichen Umgebung einleben würde, haben sich vor dem Umzug viele im Schwabenländle gefragt. Da kann die Mutter nur lachen und berichtet: „Steffi war die Erste, die gesagt hat: Hier will ich nicht mehr weg!“ Die Schülerin hat einen langen Schulweg bis nach Vorarlberg. Deswegen wohnt sie unter der Woche dort. Ihr Ziel ist, nach dem Abitur beruflich in die Tourismusbranche einzusteigen.

Bis es soweit ist, kehren noch viele Sportsleute und Naturfreunde auf der Sulzlalm ein. 160 Plätze gibt es im Freien, 40 im Innenraum. Erst wenn der letzte Wandersmann den Weg gen Tal angetreten hat, kehrt oben langsam Ruhe ein, dann aber richtig. „Die Abende sind richtig schön“, schwärmt Elfi und vermisst den Fernseher nicht. Sie schaut lieber den Rehen oder Hirschen zu. In diesem Sommer war sie grad zweimal im Tal. „Mich zieht da gar nichts hin“, meint sie achselzuckend, während der Pfiff eines Murmeltiers erklingt.

Im Winter bewohnt die Familie eine Wohnung im Tal. Geld verdienen lässt sich beispielsweise im Warther Skizirkus. Von Mai bis Oktober leben alle vier überwiegend auf der Hütte - an Ausflüge ist da kaum zu denken. „Kürzlich waren wir auf Wunsch der Kleinen abends auf der Simms-Hütte“, berichtet der Vater. Sie liegt auf 2000 Metern Höhe zwei Wanderstunden weiter oben in den Lechtaler Alpen. „Man will doch seine Nachbarn kennen“, schmunzelt Armin Hägele.

Keine Frage: Die Familie ist angekommen.