Nürtingen. Laut Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim, das für das Wohnheim zuständig ist, soll es bereits vor zwei Wochen einen Vorfall gegeben haben. „Damals sind zwei Personen in das Wohnheim Schelmenwasen eingedrungen, die dort randalierten und Einrichtung vorsätzlich beschädigten“, so Philipp Mang, Sprecher des Studierendenwerks.
Man habe eine Anzeige wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch erstattet. „Es hat sich nun herausgestellt, dass die beiden polizeilich festgenommenen Täter offenbar die identischen Personen sind, die vor zwei Wochen den Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung begangen haben.“
Das Polizeipräsidium Reutlingen konnte diese Aussage weder bestätigen noch dementieren. Unbekannt sei der 19-Jährige aber nicht. Es lägen „verschiedene Delikte der allgemeinen Kriminalität vor“, so Polizeisprecherin Ramona Nopper. Auch zum Tathergang sei mittlerweile Näheres bekannt.
Ist ein Streit um die Lautstärke eskaliert?
Laut Polizei hätten Heimbewohner eine WG-Party gefeiert, bei der der 19-jährige Angreifer und sein 22-jähriger Begleiter aufgetaucht sind. Im Laufe des Abends soll es zu einem Streit um die Lautstärke gekommen sein. Die Auseinandersetzung soll so eskaliert sein, dass der 19-Jährige ein Messer gezogen und drei Männer im Alter von 19, 22 und 26 Jahren verletzt haben soll. Die 22 und 26 Jahre alten Opfer konnten laut Polizei das Krankenhaus mittlerweile verlassen. Der 19-Jährige ist zwar außer Lebensgefahr, wird aber weiterhin in einer Klinik behandelt.
Der bewaffnete Mann konnte kurz nach der Tat von anwesenden Studenten überwältigt werden. Das gelang ihnen, weil der Täter zu diesem Zeitpunkt laut Polizei das Messer nicht mehr griffbereit hatte. Die Beamten fanden es bei der späteren Durchsuchung an seinem Körper. Vermummt waren die Männer laut Polizei nicht, sondern trugen medizinische Masken. Ein erster Atemalkoholtest ergab, dass beide Personen alkoholisiert waren.
HfWU-Studenten fordern nun mehr Sicherheit in den Wohnheimen. „Es sind mehrere E-Mails mit dem Wunsch nach mehr Sicherheit eingegangen“, so HfWU-Sprecher Gerhard Schmücker. Auch bei einer kurzfristig einberufenen Bewohnerveranstaltung am Samstagabend im Schelmenwasen haben die Anwesenden ihr Bedürfnis nach mehr Sicherheit „klar zum Ausdruck gebracht“, heißt es beim Studierendenwerk.
Doch hätte man die Sicherheitsvorkehrungen nach dem ersten Hausfriedensbruch nicht erhöhen müssen? Laut Aussagen eines Bewohners sollen die ungebetenen Gäste durch die defekte Eingangstür gekommen sein. Das dementiert das Studierendenwerk: „Laut Auskunft unseres zuständigen Hausmeisters waren alle betreffenden Türen zum Tatzeitpunkt schließfähig“, so Mang. Stattdessen werden die Studenten in die Verantwortung genommen: „Problematisch ist jedoch, dass die Türen von den Bewohnern und Bewohnerinnen oft durch Steine oder andere Hilfsmittel blockiert, das heißt vorsätzlich am Schließen gehindert werden, um zum Beispiel befreundeten Besuchern und Besucherinnen Einlass zu gewähren.“ Man habe die Bewohner mehrfach darauf hingewiesen, die Zugangstüren geschlossen zu lassen. Nun ist man bemüht, den Studenten wieder ein Mindestmaß an Sicherheit zu vermitteln. Die Tatsache, dass es sich bei den Bewohnern im Schelmenwasen größtenteils um HfWU-Studenten aus dem Ausland handelt, dürfte dieses Vorhaben erschweren. Auch die drei Opfer sind Gast-Studenten.
Man stehe mit den Partnerhochschulen in ständigem Kontakt, sagt HfWU-Sprecher Schmücker. „Wir informieren die Hochschulen über alle Schritte, die wir unternehmen, damit sich ihre Studenten hier sicher fühlen.“
Die HfWU hat reagiert und noch am Samstag einen Sicherheitsdienst an dem Wohnheim im Schelmenwasen eingesetzt. Auch erste Gespräche zwischen HfWU-Rektor Andreas Frey und Vertretern des Studierendenwerks Tübingen-Hohenheim seien bereits angesetzt. Mit der Stadt Nürtingen möchte man über ein besseres Sicherheitskonzept sprechen. Nürtingens Oberbürgermeister Johannes Fridrich sicherte seine volle Unterstützung zu: „Es ist wichtig, dass sich unsere Studenten sicher in unserer Stadt fühlen.“ Tragische Einzelfälle wie diesen könne man kaum verhindern. „Aber wenn so etwas passiert, dann müssen wir als Stadt die Hochschule und die Studenten unterstützen“, so Fridrich.
OB Fridrich möchte mit Studenten ins Gespräch kommen
Der OB hat die Opfer und diejenigen Studenten, die den Angreifer festhalten konnten, zu sich ins Rathaus eingeladen. „Man kann dann auch über Angsträume in der Stadt und Maßnahmen wie bessere Beleuchtung oder Videoüberwachung an bestimmten Punkten sprechen“, so Fridrich.
Eine Rückkehr zum Alltag ist derzeit an der HfWU undenkbar. „Es gibt aktuell nur das eine Thema“, sagt Pressesprecher Schmücker. „Der Montag steht immer noch im Zeichen der schlimmen Ereignisse vom Wochenende“, teilt die Hochschule auf ihrem Instagram-Kanal mit. Auf lockere Alltags-Meldungen wie sonst üblich in den sozialen Netzwerken möchte man bis auf Weiteres verzichten. Man könne nicht weitermachen, als wäre nichts passiert.Matthäus Klemke