Awareness bedeutet „Bewusstsein“ oder „Achtsamkeit“. „Überall dort, wo viele Menschen zusammenkommen, ist es wichtig, aufeinander zu achten und Rücksicht zu nehmen, um ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle wohlfühlen können“, fasst Veronika Hildebrand, Sozialarbeiterin im Kirchheimer Mehrgenerationenhaus Linde den Grundgedanken der „Awareness“-Arbeit zusammen. Damit setzt sich das Linde-Team aktuell verstärkt auseinander und ist dafür auf der Suche nach ehrenamtlichen „Awareness-Lotsen und -lotsinnen“ . Diese sollen auf den Konzerten und sonstigen Events der Linde zum Einsatz kommen, darunter das jährliche Kult-Ur Open-Air (KOA) an Pfingsten in Weilheim. Auch für das Kirchheimer Freibad werden Ehrenamtliche gesucht, die das Fachpersonal vor Ort besonders an den Tagen unterstützen, an denen viel los ist.
Hilfe in Stresssituationen
“Manche fühlen sich zum Beispiel in einer Menschenmenge nicht wohl und brauchen zwischendurch Ruhe. Oder man befindet sich in einer psychischen Ausnahmesituation. Das kann schon mit einem Streit unter Freunden anfangen oder eine Beziehung wurde plötzlich beendet oder jemand bekommt eine Panikattacke“, schildert Veronika Hildebrand Situationen, in denen die Lotsinnen und Lotsen Ansprechpartner sein sollen. Sie können die Betroffenen aus der für sie in dem Moment unangenehmen Situation rausnehmen. Und neben dem Gespräch zusätzlich mit verschiedenen Hilfsmitteln, die die Lotsen in ihrem Rucksack dabei haben, dabei unterstützen, sich wieder wohler zu fühlen. „Bei einer Panikattacke hilft es etwa andere Reize zu setzen. Dafür befinden sich unter anderem ein Stressball oder Gummis fürs Handgelenk im Rucksack, die man spüren kann, was ablenkt. Andere machen sich vielleicht auch Sorgen, gut nach Hause zu kommen, weil der Handy-Akku leer ist. Dafür haben die Lotsen eine Powerbank dabei. Wer reizüberflutet ist, dem können zum Beispiel Kopfhörer und ein ruhiger Ort helfen, sich selbst aus der unangenehmen Situation rauszunehmen“, nennt Hildebrand Beispiele für Hilfestellungen durch die Ehrenamtlichen. Sie seien für die Situationen da, „die noch kein Fall für die Security oder den Rettungsdienst sind.“

Auch Infobroschüren zu Beratungsstellen wie dem Hilfetelefon bei Gewalt gegen Frauen oder der Drogen- und Suchtberatung befinden sich im Awareness-Rucksack. Ein ganz wichtiger Faktor sei schlicht die Zeit, die die Lotsinnen und Lotsen mitbringen.
Bevor sie zum Einsatz kommen, sollen die Ehrenamtlichen mittels Schulungen auf solche Situationen vorbereitet werden. „Das Thema Awareness ist für uns nicht neu und bei unseren Veranstaltungen gibt es auch seither immer Ansprechpartner aus dem Team für jene, die Unterstützung benötigen. Aber wir wollen das grundsätzlich noch mehr publik machen, dass es diese Anlaufstellen gibt und uns mit Hilfe der aktuell noch gesuchten ehrenamtlichen Lotsinnen und Lotsen dafür breiter aufstellen“, erklärt Veronika Hildebrand. Einen konkreten Vorfall, der das Konzept dringend gemacht habe, habe es bisher nicht gegeben, „wir arbeiten präventiv und nicht, weil es hier besonders gefährlich ist.“
Respektvoller Umgang
Grundsätzlich wolle man mit dem Konzept ein anderes Bewusstsein im Umgang miteinander über die Veranstaltungen oder den Freibadbesuch hinaus schaffen. „Grenzen sind für die einzelnen Menschen völlig unterschiedlich. Durch ihre Achtsamkeit sollen die Lotsinnen und Lotsen darauf eingehen können“, so Hildebrand.
Judith Riepe ist bei der Stadt Kirchheim bei der Fachstelle Bürgerengagement die Kooperationspartnerin für das Linde-Team. „Bei den Schulungen lernen die Ehrenamtlichen verschiedene Gesprächstechniken für die Kommunikation mit den Betroffenen in den potenziellen (psychischen) Ausnahmesituationen. Ebenso wie Konfliktlösungsstrategien oder wie man überhaupt einen Konflikt erkennt. Dazu geht es um Zivilcourage“, erklärt Riepe. Die eigenen Kompetenzen entsprechend zu erweitern, bringe die Teilnehmenden auch persönlich in ganz anderen Lebensbereichen weiter. Am Ende der Schulung gibt es ein Zertifikat.
Vincent Dyck war bei der Erstellung des Awareness-Konzepts beteiligt und ist selbst schon für die Linde im Einsatz. „Durch die gelben T-Shirts und Westen sind wir in der Menge als Ansprechpartner sichtbar. Ich wurde beim KOA ein paar Mal gefragt, was unser Konzept umfasst und was wir machen, es gab aber noch keine bekannten Vorfälle, bei denen wir gebraucht wurden. Trotzdem war es wichtig, dass wir da waren. Teil des Awareness-Teams zu sein schaffe Sensibilität für das Thema „und man beteiligt sich daran, einen sicheren Raum auf Konzerten und anderen Events zu schaffen“, so der freiwillige Helfer.
Achtsam miteinander umgehen
Einsatzorte der ehrenamtlichen Awareness-Lotsinnen und Lotsen sind die Konzerte und Events des Mehrgenerationenhaus Linde Kirchheim, das Kult-Ur Open-Air Festival in Weilheim und das Kirchheimer Freibad.
Teamarbeit Die Ehrenamtlichen arbeiten in Teams und werden professionell begleitet. Das Mindestalter liegt bei 16 Jahren, bei manchen Veranstaltungen bei 18 Jahren. Die Einsatzzeiten sind überwiegend abends und am Wochenende. Schulungen bereiten darauf vor. Für Sicherheit, Hausrecht und medizinische Notfälle ist Fachpersonal zuständig, mit dem die Ehrenamtlichen eng zusammenarbeiten.
Kooperation Das Awareness-Projekt wird unterstützt durch das Bundesprogramm „Demokratisch leben! Partnerschaft für Demokratie“ und ist eine Kooperation zwischen der Stadt und den Stadtwerken Kirchheim sowie dem Mehrgenerationenhaus Linde.
Mitmachen Interessierte können sich per Email an awareness@linde-kirchheim.de melden oder online auf der Homepage der Stadt unter: www.kirchheim-teck.de/Awareness-Lotse eis