Protest
Anwohner in Denkendorf klagen über Kugelbahn-Lärm

Anwohner des Denkendorfer Kugelpfads beklagen sich über Lärm und weitere Belästigungen vor allem am Wochenende. Das Esslinger Landratsamt weist ihre Beschwerde zurück.

Am Wochenende sei „die Hölle los“, sagen die Anwohner: Der Kugelpfad ist ein Riesenerfolg – und das hat Konsequenzen.  Foto: Ines Rudel

Das Paradies von Rose und Rainer Burkhardt ist nah am Wasser gebaut. Zum Heulen ist den beiden Anwohnern der Körsch in Denkendorf zumute, denn „jetzt ist es die Hölle“. Das verlorene Paradies geht auf den 30. Oktober 2023 zurück, die Eröffnung des Kugelpfads.

 

Der Andrang auf dem Kugelpfad geht deutlich zurück.
Ralf Barth, Denkendorfer Bürgermeister
 

Das große Naturerlebnis für die Allgemeinheit, das der Pfad laut Gemeinde Denkendorf bieten soll, beschert den Anwohnern laut ihrer Darstellung Naturerlebnisse anderer Art: Zum Beispiel sehr natürliche Bedürfnisse von Kindern, die an den Hecken und Sträuchern privater Gärten verrichtet werden. Oder eine wachsende Rattenpopulation in Bachnähe, wo nach vollbrachter Tour die Reste aus zahlreichen Rucksäcken ins Wasser wandern – Entenfüttern zur Freude der Kinder, das auch den Nagern zugutekommt. Aber das alles, so Rainer Burkhardt, seien nur Dreingaben zum eigentlichen Elend: dem Massenansturm an Wochenenden, der die ganze Umgebung mit Verkehrslärm, Abgas und ununterbrochenem Kindergeschrei fülle. „Wir haben nichts gegen Kinder“, schiebt seine Frau schnell hinterher. „Wir haben selbst drei.“ Aber es sei unzumutbar, den Anwohnern dermaßen auf die Pelle zu rücken. „Das Haus einer Nachbarin ist umzingelt von drei Spielstationen. Die Frau hat an einem Sonntag im April 1300 Besucher gezählt, Kinder samt Eltern. Da kommt man sich vor wie auf dem Präsentierteller. Die Leute schauen einem beim Essen direkt auf den Tisch. Man hat keine Ruhe mehr.“ Rainer Burkhardt ergänzt: „Wir können unseren Garten am Wochenende nicht mehr nutzen.“ Und: „Da hat man die Körsch als Biotop renaturiert. Und jetzt trampeln die Leute die Flora nieder, weil die Kugeln ständig ins Wasser fallen und sie sie wieder herausholen.“

Kurzum: Mit Kugelpfad kann man an der Körsch keine ruhige Kugel mehr schieben. Finden die Anwohner. „Wenn die Eltern und Kinder abends weg sind, kommen die Jugendlichen mit Lautsprecherboxen und Wasserpfeifen“, klagt Rose Burkhardt. „Der Krach hört erst auf, wenn man mit der Polizei droht. Manchmal erst, wenn sie kommt.“

„Wenn die Kinder abends weg sind, kommen die Jugendlichen“

Rainer Burkhard zufolge stehen die Angehörigen von 40 Haushalten hinter ihm und seiner Frau. Betroffen seien „noch mehr, aber zu denen haben wir keinen Kontakt“. Da Proteste bei Bürgermeister Ralf Barth erfolglos geblieben seien, haben sich die Anwohner ans Landratsamt gewandt. Die Antwort hat sie nicht gefreut. Wie das Amt für Bauen und Naturschutz des Landkreises Esslingen mitteilt, „konnten die Kugelbahn sowie die anderen Anlagen des Naturerlebnispfads baurechtlich verfahrensfrei errichtet werden. Einer Baugenehmigung bedurfte es nicht“, folglich auch „keiner förmlichen Nachbarbeteiligung“. Das Amt verweist auf Maßnahmen, die die Gemeinde inzwischen getroffen habe.

Der Andrang am neuen Kugelpfad habe die Denkendorfer Verwaltung überrascht, gab Bürgermeister Ralf Barth im Februar zu. Aber man habe reagiert. Mit Erfolg, wie sogar Burkhardt einräumt: Die Parkprobleme seien durch das Einschreiten der Gemeinde entschärft, die Besucherscharen besser verteilt worden, seit an mehreren Einstiegsstellen Kugeln verkauft werden. Die Toilettennot habe man zumindest gelindert: „Anfangs gab es nur die Friedhofstoilette, die dann bei Beerdigungen oft in einem ekelhaften Zustand war.“ Mehr Mülleimer hätten die Vermüllung reduziert, trotzdem „lag bei Nachbarn kürzlich wieder eine Windel im Gebüsch“. Nichts geändert habe sich am Grundproblem: „Wir leben am Wochenende wie auf einem Rummelplatz.“

Besucher besser verteilt

Angesichts der Anfangsprobleme bekundet der Denkendorfer Bürgermeister  Verständnis für die Anwohner. Aber die Gemeinde habe die Situation entschärft, sagt Ralf Barth: die Parkierungsmöglichkeiten erweitert, das wilde Parken unterbunden, die Nummerierung der Kugelpfad-Stationen durch Symbole ersetzt. „Das signalisiert, dass man sich an jeder Station auf den Weg machen kann, und verteilt so die Besucher über die gesamte Strecke.“ Auf Anregung der Körsch-Anwohner habe die Gemeinde Schilder aufgestellt mit dem Hinweis, „die Uferböschung als wertvolles Biotop nicht zu betreten“. Was weitgehend befolgt werde. Von einem Rattenproblem, so Barth, habe er „keine Kenntnis. Das müsste man erst einmal verifizieren.“

Im Herbst soll im Denkendorfer Rathaus Bilanz gezogen und über eventuellen weiteren Handlungsbedarf entschieden werden. Zu Burkhardts Kernfrage, warum der Kugelpfad nicht außerhalb bewohnten Gebiets angelegt wurde, sagt Barth: „ Die Idee für das Projekt entstand in der Corona-Zeit, als die Kindergärten Ziele im Freien suchten. Damit war klar, dass der Pfad ortsnah verläuft. Und es war Konsens, dass wir Highlights wie Klosterkirche und renaturierte Körsch einbeziehen.“ Er habe den Eindruck, dass „bei der Mehrheit der Denkendorfer der Kugelpfad sehr gut ankommt“. Und vielleicht „verlaufen“ sich die Probleme ja, glaubt der Bürgermeister: „Der Andrang geht deutlich zurück.“ Die Karawane der Neugierigen zieht weiter: etwa zur jüngst eröffneten Kugelbahn Göppingen.

 

Wo die Kugel rollt

Denkendorf: Der im Herbst 2023 eingeweihte Kugelpfad ist 2,5 Kilometer lang und hat 13 Stationen mit Spielgeräten und Informationstafeln. Der Besucherandrang war groß, seine Folgen bereiteten Ärger: unter anderem zugeparkte Einfahrten und von Autoreifen zerfurchte Wiesen. Andererseits spricht es für die Akzeptanz in der Bevölkerung, dass knapp 136 000 Euro für das 270 000 Euro teure Projekt gespendet und Arbeit im Wert von 60 000 Euro ehrenamtlich geleistet wurde.

Anderswo: Kugelbahnen sind seit einigen Jahren ein Outdoor-Trend. Es gibt sie unter anderem in Schwäbisch Gmünd, Winterbach, Stetten im Remstal – auch dort mit Problemen wegen Massenandrangs – und seit 23. April in Göppingen.