Wirtschaft trifft Wissenschaft, Mobilität trifft Immobilien, Nachhaltigkeit trifft Kommunikation. Die „Mobility Pioneers“ machen es möglich. Von September bis Dezember haben zwölf Studierende der Hochschule Esslingen und acht Kommilitonen des Colleges of Management Academic Studies (Collman) im israelischen Tel Aviv neue Mobilitätskonzepte ausgetüftelt. Keine Luftblase. Keine Zeitverschwendung. Kein konzeptioneller Papiertiger, wie alle Beteiligten betonen. Erste Ergebnisse liegen vor, werden weiter ausgearbeitet, vorangetrieben und umgesetzt. So hat eines der deutsch-israelischen Teams eine App entwickelt, die neue soziale Medien, die nachhaltige Nutzung begrenzter Flächen, den Umweltgedanken und die Stärkung der Gemeinschaft untereinander kombiniert.
Keine Wolkenkuckucksheime
Abgehobene Wolkenkuckucksheime sollten es nicht werden. Der Austausch und die Zusammenarbeit von Studenten aus Esslingen und Tel Aviv hatten ganz klare Ziele - die Entwicklung umsetzbarer Konzepte für Wirtschaftsbetriebe in der Region. Eines der Teams aus zwei Israelis und zwei Deutschen sollte im Auftrag von Metzger Immobilien in Esslingen eine neue Art von Mobilität für Quartiere oder Hausgemeinschaften mit einem begrenzten Personenkreis von 20 bis 100 Menschen entwickeln, das ökologisch sinnvoll, ökonomisch wertvoll und sozial verantwortungsvoll ist. Wichtig waren dabei eine einfache Handhabung, die Förderung des Zusammenhalts der betroffenen Personen, die Verbindung von Generationen, Wege in ein besseres Miteinander und die praktische Anwendbarkeit des Projekts. „Wir haben die Aufgabe bewusst breit formuliert“, erinnert sich Mirja Metzger von Metzger Immobilien. Das Ergebnis der interkulturellen Forschungsarbeit hat sie überzeugt: Das ausgearbeitete Produkt, so ergänzt ihr Vater Herbert Metzger, wird künftig Mietern, Nutzern und Käufern ihrer Immobilien angeboten und interessierten Kommunen vorstellt.
Anne Maucher von dem studentischen Forschungsteam Esslingen/Tel Aviv stellt stolz das Ergebnis der internationalen Zusammenarbeit vor: eine App, schnell auf Smartphone oder Tablet installierbar. Bewohner eines Quartiers, einer Straße, eines Hochhauses oder mehrerer Immobilien können sie herunterladen, müssen sich dann mit Namen, Mailadresse, Passwort und Identifizierungscode anmelden und erhalten einen Account mit Bild und Name, auf dem sie außerdem Alter, Adresse sowie Haus- oder Wohnungsnummer eingeben können. „Für die Nutzung gilt Geben und Nehmen“, erklärt die 28-Jährige, die Innovationsmanagement in Esslingen studiert. Auf der App können Nutzer Dinge einstellen, die sie bei Bedarf gerne anderen Mitgliedern der Hausgemeinschaft zur Verfügung stellen würden oder die sie selbst für eine bestimmte Zeit benötigen - ein Auto, eine Bohrmaschine, Bücher, Haushaltsgeräte, Werkzeug, einen anderen Gegenstand. Und Dienstleistungen, die angeboten oder benötigt werden - Gassigehen mit dem Hund, einen Nagel für ein Bild einschlagen, den Rasen mähen, eine Besorgung übernehmen. Und auf der App ist auch Raum für Anfragen aus dem gesellschaftlich-kulturellen Bereich - eine zweite Theaterkarte, eine übrig gebliebene Kinokarte oder ein Begleiter zu einem Konzert. Auf dem Display wird genau angezeigt, welche Dinge ausgeliehen werden können oder wer welche Sachen wie lange benötigt. Die Seniorin, die eine Mitfahrgelegenheit zum Arzt nach Stuttgart sucht, kann ihr Anliegen posten. Und falls jemand ein Auto braucht, kann er Zeitpunkt und Dauer eingeben. Für besonders fleißige Helfer gibt es „Credit Points“, Zusatzpunkte, die durch besondere Bonbons, etwa die zusätzliche Nutzung eines Autos, belohnt werden.
Diese App funktioniert, davon sind alle Beteiligten überzeugt. Die Hausgemeinschaft wird dadurch gestärkt, meint Wilfried Suckut von Metzger Immobilien, der Zusammenhalt untereinander verbessert, der Vereinsamung vorgebeugt, der stringente Individualisierungstrend aufgehalten. Die Umwelt profitiert durch die gemeinsame Nutzung von Autos und anderen Gegenständen, Parkflächen werden geschont. Herbert Metzger denkt schon weiter: Eine Hausgemeinschaft könnte sich mehrere Autos zum kollektiven Gebrauch anschaffen, die dann von einem „Mobility Manager“ verwaltet, gewartet und gereinigt werden. Die IT-Fakultät der Hochschule Esslingen, so ergänzt Wilfried Suckut, wird sich an die praktische Umsetzung der App machen. Sie ist nicht nur für Ballungsräume, sondern auch für den ländlichen Raum geeignet, der dadurch besser vernetzt werden kann und in dem Mobilität stärker gebündelt wird. Neue soziale Medien treffen die Gesellschaft.