Das Vorbild heißt Thüringen. Im dortigen Saale-Orla-Kreis würde der neu gewählte Landrat Christian Herrgott Asylbewerber gerne zu vier Stunden gemeinnütziger Arbeit am Tag verpflichten. Der Lohn: 80 Cent auf die Stunde und mehr Struktur im tristen Flüchtlingsalltag. Hergott besitzt zwar ein CDU-Parteibuch, doch sein gesetzeskonformes Leuchtturmprojekt hat der AfD im Esslinger Kreistag derart eingeleuchtet, dass sie seinen Esslinger Parteikollegen Heinz Eininger per Antrag aufgefordert hat, es ihm gleichzutun.
Doch Eininger spielt nicht mit. Nicht weil der, anders als sein 39-jähriger Kollege aus dem Osten, kurz vor dem Ruhestand steht, sondern weil er es aus Erfahrung besser weiß. Ganz nach dem Motto: Nicht jeder schlaue Plan ist auch ein guter. Dass Anträge zu dem Thema formal gar nicht gestellt werden können, weil es sich dabei um eine staatliche Aufgabe handle, bei der das Kreisparlament außen vor ist, steht für den Behördenchef auf einem anderen Blatt.
Asylsuchende für einfache Tätigkeiten wie Reinigungsarbeiten rund um die Unterkünfte heranzuziehen, sei längst gängige Praxis. „Rund 80 solcher Arbeitsgelegenheiten haben wir bereits“, klärt Eininger auf. Als praxistauglich habe sich das Modell allerdings nicht erwiesen, weil es in der Summe viel zu aufwändig und viel zu bürokratisch sei. „Wenn wir Geflüchtete beschäftigen, muss dies zudem wettbewerbsneutral geschehen“, nennt Eininger einen weiteren Punkt. Arbeiten, die ansonsten an private Unternehmen vergeben worden wären, seien somit tabu.
Plochingens Bürgermeister Frank Buß (Freie Wähler) hat in seinem Zuständigkeitsbereich ähnliche Erfahrungen gemacht: „Der Aufwand steht hier in keinem Verhältnis zum Nutzen“, weiß Buß und weist darauf hin, dass der Vergleich mit Thüringen gewaltig hinkt. Der Saale-Orla-Kreis sei nach Fläche fast doppelt so groß wie der Kreis Esslingen, verzeichnet allerdings nur knapp ein Siebtel der Bewohner und damit auch deutlich weniger Asylsuchende als zwischen Alb und Neckar. So will es der bundesweite Verteilschlüssel.
Den Forderungen des Landkreistags zu folgen, hält Eininger für den wirksameren Weg. Das eigentliche Ziel müsse es sein, Asylbewerber möglichst schnell in reguläre Arbeitsverhältnisse zu bringen, um ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. „Bisher war das politisch nicht gewollt“, sagt Eininger und spricht von einem „Paradigmenwechsel“, der augenblicklich stattfinde.
Auf wenig fruchtbaren Boden fielen auch zwei weitere Anträge zum Thema: Die FDP hatte den Landkreis zum Alleingang bei der Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber ermuntert, was die Verwaltung mit Verweis auf die Verhandlungen über eine bundesweit einheitliche Regelung ablehnte. Auch der Wunsch der Linken nach einer dezentraleren Unterbringung von Geflüchteten, um riesige Sammelunterkünfte zu vermeiden, fand kein Gehör. Dafür gebe es schlicht keinen Spielraum, betonte der Landrat. „Wir müssen nehmen, was wir bekommen.“ Ob der augenblickliche Rückgang der Zuwanderungszahlen nur eine kurze Atempause bedeute, lasse sich nicht sagen, stellte Eininger fest. „Es wird eine Daueraufgabe bleiben.“
Zahlen sinken seit Jahresbeginn
Die Anzahl der Menschen, die aus den Kriegsgebieten in der Ukraine im Kreis Zuflucht suchen, ist nach Angaben des Landratsamtes seit Jahresbeginn zurückgegangen. Dennoch suchen monatlich fast 100 Neuankömmlinge hier eine vorläufige Bleibe. Die überwiegende Mehrheit wendet sich dabei direkt an die Kommunen. In der landkreiseigenen Sammelunterkunft im Nürtinger Hauber-Areal leben zur Stunde etwa 250 Schutzsuchende.
Rückläufig ist seit Dezember auch die Zahl der Geflüchteten aus anderen Herkunftsländern, die im Herbst auf bis zu 300 Personen monatlich stark angestiegen war. Seit Beginn des neuen Jahres sank die Zahl dieser Menschen, die im Landkreis um Asyl bitten, auf zuletzt 87 im Februar. Für den Monat März sind vom Land 58 Personen angekündigt. Hauptherkunftsländer sind derzeit Syrien, die Türkei und Afghanistan. bk