Eine artenreiche Pflanzen- und Tierwelt kann nur in strukturierten Lebensräumen erhalten werden. Eine wichtige Rolle spielen dabei laut Dr. Ulrich Jaudas natürliche Elemente, wie Baumreihen, Gräben, Böschungen, Brachen oder Kleingewässer. Dem Schlattstaller Agraringenieur zufolge bieten sie vielen Arten Nist-, Nahrungs- und Rückzugsmöglichkeiten. Klug verteilt verbinden sie Lebensräume und fördern so die Ansiedlung von Pflanzen und Tieren. Doch viele dieser Elemente sind auch im Landkreis Esslingen aus der Landschaft verschwunden.
Zwischen 1950 und 1970 veränderte sich die Landwirtschaft nachhaltig. Die meisten Arbeitskräfte wanderten in andere Wirtschaftszweige ab, die ein besseres Gehalt und geregeltere Arbeitszeiten boten. Die landwirtschaftliche Arbeit musste sich verändern, die technischen Hilfsmittel wurden immer größer und moderner. Das führte zu immer größeren Acker- und Wiesenflächen. In der Folge verschwanden viele natürliche Landschaftselemente.
In die selbe Kerbe schlägt auch der anhaltend hohe Flächenverbrauch für Siedlungen und Straßen. Eine Rolle spielt für Ulrich Jaudas auch die EU-Flächenprämie. Dabei handele es sich um eine reine Hektarzahlung, an die keine besonders hohen Anforderungen in Sachen Natur- und Tierschutz gekoppelt seien. „Es ist sogar so, dass Landwirte abgestraft werden, wenn Landschaftselemente auf den Flächen sind“, kritisiert Jaudas. „Denn bei der Ermittlung der Prämien-Höhe werden sie aus der Fläche herausgerechnet, weil sie aus EU-Sicht keine landwirtschaftliche Nutzung bieten.“
Dabei schützen Hecken, Baumreihen, Böschungen und Co. vor Bodenerosion, tragen zum Humusaufbau bei und verbessern den Wasserhaushalt. Außerdem fördern sie den ökologischen Pflanzenschutz. „Viele Nützlinge ziehen sich in Landschaftselemente zurück, wenn das Offenland bewirtschaftet wird“, erklärt der Agraringenieur. Eine von vielen Funktionen, die auch Saumbiotope erfüllen. Sie bestehen hauptsächlich aus Stauden und befinden sich am Übergang zwischen zwei unterschiedlichen Ökosystemen, wie Wald und Wiese.
Diese Bereiche weisen laut Öko-Landwirt Karl Ederle eine enorme Vielfalt an Umweltbedingungen auf, wie verschiedene Temperaturbereiche oder Lichtverhältnisse. Laut dem Bissinger entsteht auf kleinem Raum ein riesiges Spektrum ökologischer Nischen, in denen spezialisierte Arten, die nur in solchen Säumen existieren können, eine Heimat finden. Doch in Bissingen, Schlattstall und anderen Gemeinden sind diese Elemente so gut wie verschwunden. Der Wald hat sie in dem Maße verdrängt, wie sich die Nebenerwerbslandwirtschaft seit den 1960/70er-Jahren zusammen mit vielen Wiesenbewirtschaftern aus der Fläche zurückgezogen hat. Dieser Prozess lässt heute bei zahllosen Obstwiesen beobachten, die völlig zuwachsen und einen Ökosystem-Wechsel hin zum Wald vollziehen. Da von den Streuobstbeständen rund 5000 Arten abhängig sind spricht sich Ederle dafür aus bei fehlender Bewirtschaftung für Eigentümer kostenpflichtige Zwangspflegemaßnahmen anzuordnen.
Landwirte könnten diese Biodiversitäts-Hotspots wiederherstellen und erhalten – etwa durch naturnahe Beweidung, meint Karl Ederle. Dazu müsse sich der Naturschutz für neue Kooperationspartner öffnen. Zudem müsste die Politik ökologische Gemeinwohlleistungen, die Landwirte erbringen, endlich honorieren. Ulrich Jaudas ist guter Dinge, dass das mit dem „New Green Deal“ in der EU-Agrarpolitik gelingt. Mit ihm wird ein ökologischer Umbau der Landwirtschaft angestrebt. Auch die Förderung von Landschaftselemente stehe hier im Fokus.
Hecken und Bäume bieten Lebensraum
Landschaftselemente sind für die Artenvielfalt von unschätzbarem Wert. Laut der Wildland Stiftung Bayern bietet allein eine Hecke 900 bis 1500 Arten einen Lebensraum. Bei einer Eiche sind es nach Angabe des NABU Bundesverbandes bis zu 6000 Tierarten, davon sind etwa ein Zehntel Insekten. dh