Die militärische Bedrohungslage in Europa ist laut Verteidigungsminister Pistorius so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr. Akute Kriegsgefahr besteht dem SPD-Politiker zufolge zwar nicht, trotzdem fragen sich viele, wie das Land und die Kommune, in der sie leben, im Ernstfall dastehen würden. Eine Antwort findet sich in Dettingen. Dort bereitet Feuerwehrkommandant Jürgen Holder die Gemeinde seit gut 20 Jahren auf Notsituationen wie Blackout und eine durch Naturgewalten zerstörte Infrastruktur vor. Gemeint sind Dienstleistungs- und Versorgungssysteme, die für das Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft und für die Lebensgrundlage der Bevölkerung von zentraler Bedeutung sind. Dazu zählen etwa Staat, Verwaltung, Telekommunikation, Transportwesen, Gesundheits-, Nahrungs-, Wasser- oder Energieversorgung.
Wie im Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz vorgesehen, hat Holder Evakuierungs- und Notunterbringungskonzepte für ein Prozent der Wohnbevölkerung entwickelt. Teckschule und Sporthalle bieten im Ernstfall aber durchaus mehr Menschen Raum, die dort mit Feldbetten, Decken, Lebensmitteln, Wärme und medizinischer Hilfe versorgt werden können. Beide Gebäude sind laut Holder technisch für eine Notstromeinspeisung ausgestattet und lassen sich so mit einem rund 100 000 Euro teuren Dieselaggregat sogar bei längeren Stromausfällen betreiben. Brechen Lieferketten, Energieversorgung oder Verkehrswege zusammen, stellt der lokale Einzelhandel Nahrungsmittel und die Apotheke Medikamente zur Verfügung.
Notbrunnen bringt Trinkwasser
Störungen bei der Trinkwasserversorgung kompensiert die Gemeinde laut Jürgen Holder unter anderem mit einem Notbrunnen, aus dem Wasser in bis zu rund 1000 Liter große Notbehälter gepumpt wird. Anschließend wird der Inhalt an einem zentralen Punkt rationiert an die Einwohner verteilt. Für die Menschenrettung aus beschädigten oder eingestürzten Gebäuden sind unter normalen Umständen Feuerwehr und unterstützend das Technische Hilfswerk zuständig, wenn dessen Helfer aber im Ernstfall woanders im Einsatz sind, müssen örtliche Kräfte übernehmen. „Der Bauhof stellt dafür Hilfsmittel wie zum Beispiel einen Bagger samt Fahrer bereit, der Trümmer beiseiteschafft“, so Jürgen Holder. Die Feuerwehr allein kann all diese Aufgaben nicht bewältigen. Deswegen will der Kommandant die Mitglieder der örtlichen Vereine entsprechend ihren Kompetenzen einbinden, indem sie etwa Behelfsküchen aufbauen, Essen kochen oder Menschen betreuen. Handwerker könnten technische Aufgaben übernehmen.
Dr. Andreas Baumann vom THW-Ortsverband Kirchheim bestätigt, dass seine Organisation im Ernstfall dort zum Einsatz kommt, wo für die Bevölkerung der größte Mehrwert entsteht. So profitieren von der behelfsmäßigen Instandsetzung von Straßen oder Brücken für Hilfskonvois, der Reparatur von Wasserwerken oder dem Aufbau von Notunterkünften ganze Regionen. Da das THW eine Organisation des Bundes ist, kann sie im Spannungs- und Verteidigungsfall aus Kirchheim abgezogen werden und in anderen Bundesländern zum Einsatz kommen. Daher sei ein kommunales Krisenmanagement wie in Dettingen, das auch die Bevölkerung für Themen wie Selbsthilfe und Notfallvorsorge sensibilisiere, wichtig. Denn bis zum Eintreffen externer Hilfsverbände könne die Bevölkerung aus eigener Kraft geschützt werden.