Lenninger Tal
Auf der Alb ist’s einen Kittel kälter: Weinbau statt Windersport?

Serie Von wegen „Schwäbisch Sibirien“! Die Alb ist Geopark, Biosphärengebiet und zugleich Entdeckerland mit jahrmillionenalter Geschichte (11). Von Michael Hägele

Das Klima der Schwäbischen Alb ist bekanntermaßen ein anderes als das im rund 400 Höhenmeter tiefer gelegenen Albvorland oder in Oberschwaben. Bevor man sich im Detail mit dem Klima dieses Mittelgebirges auseinandersetzt, muss man die Begriffe „Klima“ und „Wetter“ gegeneinander abgrenzen.

Von Wetter wird gesprochen, wenn man den Zustand der unteren Atmosphäre zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort meint. Das Wetter mit seinen Elementen, zum Beispiel Temperatur, Niederschlag, Wind, kann zur selben Uhrzeit an zwei benachbarten Orten gänzlich verschieden sein. Im einen Ort scheint die Sonne, einen Kilometer entfernt findet ein Regen­schauer statt, das hat vermutlich jeder schon einmal erlebt.
Im Gegensatz dazu ist mit dem Klima die mittlere Ausprägung der Wetterelemente über ein Jahr hinweg und in einer größeren Region gemeint. Grundlage sind Mittelwerte von Wetteraufzeichnungen über einen Zeitraum von 30 Jahren.

In die so identifizierbaren einheitlichen Klimazonen der Erde eingeordnet, liegt die Schwäbische Alb, wie fast ganz Mitteleuropa, im Bereich des Übergangsklimas der gemäßigten Breiten.
Verantwortlich für den Ruf als „Schwäbisch Sibirien“ ist die Höhenlage. Im Schnitt nimmt die Temperatur in der unteren Atmosphäre um etwa ein Grad Celsius pro 100 Meter Anstieg ab. So lässt sich rein rechnerisch ein durchschnittlicher Temperaturunterschied von rund vier Grad Celsius zum Albvorland oder Oberschwaben feststellen.

Ein Effekt, der es auf der Hochfläche der Alb noch kälter macht, ist der sogenannte „Windchill-Effekt“, der eine noch stärkere Auskühlung durch den Wind verur­sacht. Außerdem sammelt sich in besonders klaren Nächten, wenn bei sogenanntem Strahlungswetter die tagsüber gespeicherte Wärme wieder ungehindert ins Weltall abgegeben werden kann, die schwerere und dadurch den Tiefenlinien des Reliefs folgende Kaltluft in den Trockentälern und in Dolinen der Alb. Auf diese Weise werden beispielsweise im Rinnental in Sonnenbühl immer wieder bundesweite Kälterekorde von unter minus 30 Grad Celsius aufgestellt.

Auf der Alb gibt’s Sonne satt

Mit dem subpolaren Klima in Sibirien hat das Klima der Alb dennoch wenig gemeinsam, es ist viel wärmer und feuchter. Dass es auf der Alb kalt werden kann, heißt jedoch nicht, dass hier nicht die Sonne scheint, im Gegenteil: Mit bis zu 2000 Sonnenstunden im Jahr, das entspricht beispielsweise Bordeaux in Südfrankreich, gibt es nur an der Grenze zu Österreich und auf Rügen ähnlich viel Sonne in Deutschland. Im direkten Zusammenhang damit steht die sehr hohe Photovoltaikdichte im Bereich der Schwäbischen Alb.

Auch wenn es paradox erscheint: Auf der Alb ist es nicht nur am kältesten, obwohl am meis­ten Sonne scheint, es gibt auch besonders viel Niederschlag und ist trotzdem sehr trocken! Dass es viel regnet und schneit, liegt an der Höhenlage.

Das Gebirge legt sich wie ein Riegel quer zur europäischen Hauptwindrichtung aus Nordwest. Werden die Luftmassen durch den steilen Trauf zum Aufsteigen gezwungen, kommt es zur Abkühlung und damit zur Kondensation. Aus dem gasförmigen Wasserdampf entstehen schnell schwebende Wassertröpfchen, also Wolken, aus denen es mit zunehmender Wassersättigung schließlich zu regnen beginnt. Das nennt man Steigungsregen. Aus diesem Grund sind die Niederschläge im Bereich des Traufes und einiger Kilometer dahinter am intensivsten und werden nach Südosten hin geringer. Trocken ist es aber trotzdem, weil ein Großteil des Niederschlags sofort im Karstgestein versickert.

Im Vergleich zum Albvorland ist es für die Bewohner der Schwäbischen Alb im Jahresmittel zwar kälter, dafür erleben sie viel stärker ausgeprägte Jahreszeiten und atmen frischere Luft. Für die Landwirtschaft ist das Klima zwar eine Herausforderung, aber eine, an die sie sich im Lauf der Zeit gut anpassen konnte.

Die Alb als Weinbauregion

Diese Kompetenz wird sicher auch in Zukunft wichtig sein. Selbst laut ausgesprochen vorsichtigen Prognosen wird es in Zukunft auf der Alb wärmer werden. Das bedeutet für den Wintersport möglicherweise das endgültige Aus. Zudem ist est nicht absehbar, wie der Wald mit den Veränderungen zurechtkommt, da die ersten neuen Krankheitserreger bereits jetzt auf der Alb heimisch werden. Dennoch dürfen die Landwirte auf die neuen Zeiten gespannt sein: Laut Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sind die meisten Gebiete der Schwäbischen Alb ab dem Jahr 2050 für den Anbau von Weinsorten wie Pinot Noir, Grauburgunder und Riesling bestens geeignet.