Immer mehr Frauen greifen zur Waffe und rütteln alte Klischees ordentlich auf
Auf der Pirsch

Zum Jäger gehört der Hut, ein krauser Bart und Dackel Waldi. Weit gefehlt! Die Zahl der Frauen, die das "grüne Abitur" absolvieren und selbst Beute machen, steigt. Die Faszination am Naturerlebnis und der Wunsch zu wissen, was auf dem Teller liegt, macht den Reiz am Jagdschein aus.

Kirchheim. Es werden immer mehr jagende Frauen. „Warum auch nicht?“, fragt Gabriele Eichler-Schwab. Morgens früh aufstehen, raus in den Wald, wenn der Tau noch auf den Wiesen liegt, und die Sonne aufgeht – für Eichler-Schwab, die gerade mitten im grünen Abitur steckt, ist das ein packendes Erlebnis. Wer auf die Jagd geht, ist in der Natur, weg vom Alltag. „Kein Stress, keine Hektik – einfach den Wald, die Ruhe und Stille genießen, das ist ein Ausgleich zum Berufsleben“, erzählt die medizinisch-technische Assistentin aus Kirchheim.

Oft harrt Anke Schüle auf dem Hochsitz aus, ohne auch nur ein Tier vor die Büchse zu bekommen. In dieser Zeit lehnt sich die 42-Jährige, die seit 2006 den Jagdschein besitzt, zurück und lässt die Gedanken schweifen. „Mein Bestreben ist es nicht, um jeden Preis Beute zu machen“, erklärt die gelernte chemisch-technische Textillaborantin. „Wäre dem so, dann würde das Jagen zum Schießen verkommen, und das ist nicht das Ziel.“ Das Fernglas ist für sie manchmal wichtiger als das Gewehr. „Es kommt vor, dass ich nicht zum Schuss ansetze, weil mir die Atmosphäre und die Aussicht auf das Wild gefällt“, erzählt die Beurenerin. „Ich denke, dass für Männer das Jagen viel mehr mit Spannung und Freude an der gemachten Beute verbunden ist.“ Im Gegensatz dazu würden Frauen mehr nachdenken, bevor sie den Abzug betätigen. „Sie jagen zurückhaltender, was aber nicht heißen soll, dass Männer auf alles schießen, was sich bewegt“, so Schüle.

Ähnlich sieht es Maryvonne Kälberer. „Ich glaube, dass Jägerinnen sich einmal mehr vergewissern, dass sie auch tatsächlich einen sicheren tödlichen Schuss absetzen können“, so die Owenerin, die mit der Jagd groß geworden ist. Schon als Kind hat sie ihr Vater mit auf den Hochsitz genommen. Mit 15 hat die heute 17-Jährige ihren Jagdschein gemacht. Auf die Pirsch darf sie bis zur Volljährigkeit allerdings nur bei der Einzeljagd und in Begleitung eines Erwachsenen gehen, der berechtigt ist, eine Waffe zu führen. Die Abiturientin möchte wissen, wie das Fleisch auf ihrem Teller vorher gelebt hat.

Seit Jahren liege lokales und regionales Essen im Trend. Bio sei in aller Munde. „Wildfleisch erfüllt all diese Kriterien“, berichtet Maryvonne Kälberer. „Anders als in der Massentierhaltung können Wildschweine und Rehe in der freien Natur aufwachsen und dort fressen, was sie wollen.“ Im Idealfall würden die Tiere den tödlichen Schuss nicht einmal bemerken. „Das Wild hatte bis dahin ein schönes und stressfreies Leben. In der Massentierhaltung sieht das anders aus“, gibt Gabriele Eichler-Schwab zu bedenken. „Bei Wildfleisch kann man sich sicher sein, dass 100 Prozent Bio in den Kochtopf kommt.“

Nach wie vor wird die Jagd von Männern dominiert. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern seien aber nicht so groß, wie Außenstehende vielleicht denken würden. „Die Jägerinnen jagen mit den gleichen Waffen, die auch die Männer benutzen“, sagt Gabriele Eichler-Schwab. Einen Frauenbonus gebe es nicht. „Bei der Prüfung für den Jagdschein müssen alle ein totes Wild ausnehmen, den sicheren Umgang mit der Waffe unter Beweis stellen, Zielscheiben und mobile Tierattrappen treffen.“

Das grüne Abitur ist nicht leicht. „Allerhand Wissen rund um das Ökosystem Wald wird ebenso vermittelt, wie Kenntnisse über die Anatomie, das Verhalten oder die Krankheiten aller im Forst vorkommenden Tierarten, also auch der Vögel“, so Anke Schüle. Aspekte des Naturschutzes seien ebenso Bestandteil der Ausbildung, wie das Jagdhundewesen, das Waffen- oder Jagdrecht. Wer den Stoff sicher beherrsche, brauche vor der Prüfung keine Angst zu haben und könne in absehbarer Zeit schnell selbst auf die Pirsch gehen.