Noch geht es ruhig zu auf der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm. Einmal am Tag fährt dort zurzeit ein Zug vorbei. Das wird sich schlagartig am 11. Dezember ändern. Dann geht die Strecke offiziell in Betrieb.
An diesem lauen Sommerabend ist kein Zug zu sehen. Gemeinsam mit Jens Hallfeldt, Projektleiter der Neubaustrecke, radeln die Mitglieder des Weilheimer Gemeinderats und Bürgermeister Johannes Züfle die Trasse entlang – übrigens nicht zum ersten Mal. Vor sechs Jahren hatte es in ähnlicher Konstellation schon einmal eine Radtour entlang der Neubaustrecke gegeben. Damals stand deren Ausbau auf der Gemarkung Weilheim allerdings noch ganz am Anfang.
Schon 2016 hatte sich abgezeichnet, dass der Fund einiger kleiner, geschützter Reptilien den Zeitplan der Bahn kräftig durcheinanderwirbeln würde. „Wegen der Zauneidechsen hatten wir ein Jahr Bauverzögerung in Richtung Kirchheim“, blickt Jens Hallfeldt nun zurück. Mittlerweile kann er darüber schmunzeln: Als vermeintlich alle Tierchen abgesammelt und umgesiedelt und die Bagger schon angerollt waren, fanden Biologen bei einem Kontrollgang noch eine übrig gebliebene Zauneidechse. Damit hatte sich der Baubeginn erledigt, das Prozedere begann von Neuem. Eine ganz subjektive Beobachtung, die Jens Hallfeldt in dem Zusammenhang gemacht hat: „Die beauftragten Büros sind mit der Zeit immer besser geworden und haben immer mehr Eidechsen entdeckt.“
Kurz vor dem Bau stand damals auch die Stauwand am Hochwasserrückhaltebecken beim Parkplatz Aichelberg. Sie soll bei Starkregen vor einem eventuell über die Ufer tretenden Seebach schützen. Jetzt ist das beachtliche Beton-Bauwerk fertig - und hat eine neue Besitzerin: die Stadt Weilheim. Das ist allerdings ein zweifelhaftes Geschenk, wie Bürgermeister Johannes Züfle betont. Denn sollte die Stauwand je sanierungsbedürftig sein, muss die Stadt Weilheim ganz alleine dafür aufkommen. „Dabei haben wir gar nichts davon“, sagt der Bürgermeister. „Die Staumauer schützt die Bahnstrecke und die Gemarkung Holzmaden.“ An den Besitzverhältnissen war allerdings nichts mehr zu rütteln: „Ich habe noch versucht, mich zu wehren“, so Züfle. Das Ganze war aber schon 1999 so festgeschrieben worden.
Seit März ist die Bahnanlage nun in Betrieb. Erst wurden die Oberleitungen unter Strom gesetzt, dann tuckerten Schienenschleifzüge über die Gleise, bevor Testzüge immer schneller über die Schienen rauschten. Bis zu 275 Stundenkilometer schnell sind sie gefahren. Im Regelbetrieb gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h. Nachts fahren ab Dezember auch Güterzüge auf der Strecke. „Sie kommen aber nur auf eine Höchstgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern“, sagt Jens Hallfeldt. Aktuell verkehren nur Messzüge. Sie vermessen die Strecke und die Signale und speisen die Werte digital ins System ein. Weitere Testfahrten im August sollen zeigen, ob alles richtig angekommen ist.
Ein Problem, das noch gelöst werden muss, gibt es mit der Löschwasseranlage im Tunnel. „Das ist eine High-Tech-Lösung, die ziemlich aufwändig, aber noch nicht optimal ist“, sagt Jens Hallfeldt. Das System dahinter: Die Rohre im Tunnel sind bereits mit Wasser gefüllt, um im Ernstfall Zeit zu sparen. Lediglich die letzten 1000 Meter vor den Portalen auf beiden Seiten bleiben wegen der Frostgefahr trocken. Wie nun aber der vergangene Winter gezeigt hat, reicht diese Vorsichtsmaßnahme nicht aus. Denn selbst 1000 Meter von der Tunnelmündung entfernt sind die Temperaturen im Februar dem Gefrierpunkt gefährlich nahegekommen. „Jetzt sucht man noch nach einem System, um die Frostgefahr zu reduzieren“, so der Projektleiter. Er verriet übrigens auch, warum die geplante Seitenablagerung vorm Boslertunnel nie gebaut wurde. „Wir haben uns nicht getraut“, sagt Jens Hallfeldt. Die Befürchtung: Die Seitenablagerung könnte den Autobahndamm wegdrücken und damit mehr Schaden als Nutzen bringen.