Kirchheimer Schüler beim Gesangscoaching an der Pop-Akademie Mannheim
Aus Tönen ein Haus bauen

Ein tolles Wochenende bescherte der Crew des Musicals „Hair“, das LUG und Musikschule im vergangenen Jahr auf die Bühne gebracht hatten, die renommierte Pop-Akademie in Mannheim. Dort fand der ­Workshop statt, den das Team beim Wettbewerb um den ­Lotto-Musiktheaterpreis 2014 gewonnen hatte.

Kirchheim. Tag zwei, Sonntagmorgen in der Stadt zwischen Neckar und Rhein: Während sich einige von der Nacht gezeichnete Studenten zu einem Seminar in die Pop-Akademie schleppten, traten 16 Kirchheimer Jugendliche an, um ihren Preis einzulösen – ein professionelles Gesangs-Coaching. Schon das Warm-up, das die Trainerinnen Marion Feichter und Irene Claussen inszenierten, brach das Eis. Noch wurden keine Töne gefordert, dafür Klatschen und Stampfen in verschiedenen Rhythmen, sogenannte Body-Percussion, die aber jede Menge Konzentration und Spannkraft verlangte.

Mit dem Circle-Singing, das auf eine Idee von Sänger und Dirigent Bobby McFerrin („Don’t worry, be happy“) zurückgeht, wurden die Nachwuchssänger in eine Methode eingeführt, die vieles gleichzeitig schult. Der Grundgedanke: Improvisation, mit der mehrere Gruppen gemeinsame Klangbilder entwickeln. Rhythmen, Geräusche und Gesang wurden zu Patterns, und diese tauschte der Dirigent innerhalb einer Improvisationsrunde immer wieder. In diese Rolle durften auch die Schüler schlüpfen.

„Versucht, aus den Tönen ein Haus zu bauen“, war eine der anschaulichen Hilfestellungen von Marion Feichter. Wenn Musik ohne Absprachen passiert, ist alles offen. Aber nur durchs Zuhören, durch das Aufeinandereingehen und Sich-Inspirierenlassen, entstehen beim Improvisieren auch Harmonie und ein musikalisches Gemeinschaftserlebnis. Wenn zusätzlich an den Stellschrauben Dynamik, Einsatz und Effekte gedreht wurde, war die Gruppe mitunter selbst verblüfft, welch erstaunliche Klänge und Rhythmen sie zu zaubern imstande war.

Weitere Übungen folgten, bei denen die beiden Profis den Jugendlichen eindrucksvoll zeigten, wie man sich der Technik von Rhythmus und Bandgesang nähert. Mit ganz praxisnahen Tipps, die auf der Stelle umsetzbar waren, gaben sie den jungen Sängern jede Menge Input. Wer anfangs noch Scheu hatte, aus sich herauszugehen, war spätestens um die Mittagszeit voll dabei und ließ sich auf das weite Feld des Improvisierens ein.

„The stage is yours“ – mit dieser verlockenden Einladung lotsten die beiden jungen Sängerinnen die Kids dann auf die voll ausgerüstete Bühne, die zum Übungsraum in der Pop-Akademie gehört, während sich draußen vor der Tür halb Mannheim zu einem Stadtlauf versammelte. Am Nachmittag standen für die Nachwuchssänger Coversongs und Bühnentraining auf dem Programm. Der richtige Umgang mit Mikros und Tipps für die Performance waren dabei genauso wichtig, wie das Singen als solches. Nach 90-minütigem Training präsentierte dann eine Männerband den Mark-Forster-Ohrwurm „Au revoir“, der mit seinen schnellen Rap-Einlagen eine knifflige Herausforderung für die Hair-Sänger darstellte. Stimmlich schon recht sicher und mit sichtlichem Spaß an diesem internen Auftritt, überzeugten die sechs Jungs auf Anhieb.

Die jungen Sängerinnen stürzten sich mit Energie auf die Nummer „Masterpiece“ von Jessie J. „Wann hat man schon mal die Gelegenheit, Coversongs zu singen?“, freute sich eine der Jugendlichen. Allein den schnell gesungenen englischen Text in kurzer Zeit einzustudieren, war eine Leistung. Hinzu kamen mehrstimmige Passagen, die die Mädels aus dem Stand umsetzen konnten. Ein Stück in so kurzer Zeit zu covern, war ein hartes Stück Arbeit, und sie wurden mit Applaus für ein tolles Ergebnis nach dieser ersten Etappe belohnt.

„Können wir das zu Hause auch mal machen?“ war eine Frage, die am Ende des Workshops nicht nur einmal erklang. Projektleiter Bertram Schattel, der mit großen Ohren an beiden Tagen vor Ort gewesen war, konnte nur schmunzeln. Denn auch jene, die „nur“ zuhörten, konnten sich der Inspiration, die von diesem Workshop ausging, keineswegs entziehen.