41-Jährige aus Köngen muss sich vor Gericht verantworten – „In einer Art Isolation und Dunkelheit gefangen“
Aus Verzweiflung auf die eigenen Kinder eingestochen

Vor der Schwurgerichtskammer des Stuttgarter Landgerichts hat gestern der Prozess gegen eine 41-jährige Mutter aus Köngen begonnen. Ihr wird vorgeworfen, ihre beiden sieben- und zehnjährigen Töchter mit Messerstichen getötet zu haben.

Köngen/Stuttgart. Schon Tage vor Prozessbeginn war den Richtern der Großen Strafkammer in Stuttgart vom Verteidiger der Angeklagten mitgeteilt worden, dass die 41-Jährige weder zu ihrem Lebenslauf noch zum Vorwurf Angaben machen werde. So sollte der gestrige Auftakt des Verfahrens eigentlich nur wenige Minuten dauern, und am heutigen Mittwoch hätten dann die ersten Zeugen vernommen werden sollen – doch es kam anders. Das Gericht rief den psychiatrischen Gutachter, der die Angeklagte zur Frage der Schuldfähigkeit untersucht hatte, in den Zeugenstand. Denn ihm gegenüber hatte die Frau vage Angaben zu der Bluttat gemacht.

Doch zunächst zur Anklage gegen die 41-Jährige: Weil ihr Ehemann Tage vor dem 1. November 2014 plötzlich mitgeteilt habe, dass er sich von ihr trennen wolle, habe sie befürchtet, dass er ihr die beiden Kinder wegnimmt. So habe sie am Abend des 1. November den Entschluss gefasst, zuerst die beiden Mädchen und dann sich selbst umzubringen. Den Kindern habe sie ein Schlafmittel verabreicht. Als diese dann „arg- und wehrlos“ schliefen, soll sie zuerst die Ältere der beiden mit insgesamt 40 Messerstichen in den gesamten Körperbereich getötet, danach die Siebenjährige mit elf weiteren Stichen umgebracht haben. Die schweren inneren Verletzungen an Leber, Magen, Lunge und Herz waren laut den späteren gerichtsmedizinischen Obduktionen absolut tödlich. Man geht davon aus, dass der Tod der beiden Kinder in den frühen Morgenstunden eintrat.

Anschließend habe die Frau versucht, sich selbst das Leben zu nehmen. Mit dem Tatmesser habe sie an ihrer Ellenbogenbeuge einen tiefen Schnitt angebracht, wobei allerdings der dadurch entstandene Blutverlust zu gering war, um dabei zu Tode zu kommen. Nachdem sie dies erkannt habe, so die Anklage weiter, rief sie die Polizei und die Notfallrettung an.

Den Polizeibeamten und Notärzten bot sich in der Köngener Wohnung ein erschreckendes Bild: Beide Mädchen lagen blutüberströmt am Boden. Die Frau saß verletzt auf einem Stuhl und wurde notfallmedizinisch behandelt und dann in das Justizvollzugskrankenhaus gebracht.

Doch wo liegen die eigentlichen Hintergründe der Bluttat? Die Angeklagte, die gestern mit Handschellen den Stuttgarter Gerichtssaal betrat, machte dazu keine Angaben. Auch zu ihrem Lebenslauf und ihrer Ehe mit dem zehn Jahre älteren Mann und Vater der Kinder wollte sie nichts sagen. Die Richter der Schwurgerichtskammer behalfen sich mit der Vernehmung des Sachverständigen.

Demnach wurde sie vor 41 Jahren in Serbien geboren und mit 13 Jahren von ihren bereits hier lebenden Eltern nach Deutschland geholt. Sie habe keine schöne Jugend gehabt und sei im Jahr 2004 von ihrem Vater zur Heirat mit dem Mann gezwungen worden. Familie und Kinder stünden bei ihr immer an erster Stelle. Noch am Vortag der Tat habe sie mit den beiden Mädchen in Köngen Halloween gefeiert. Als ihr Mann dann die Trennung bekannt gab, habe sie große Angst um die Kinder bekommen. In den zehn Jahren Ehe sei der Mann aber stets hilfsbereit gewesen. Sie selbst arbeitete als Kassiererin in einem Supermarkt.

Dem Gutachter soll sie weiter berichtet haben, dass sie in der Tatnacht in einer Art Isolation und Dunkelheit gefangen gewesen sei. Sie habe dann plötzlich ein helles Licht gesehen – und eine Leiche. Mehr Einzelheiten zum Tathergang und dem eigentlichen Tathintergrund wisse sie nicht mehr. Sie habe dem Gutachter gegenüber keine Erklärung abgeben können, wie es zu der Tat kam und wie sie sich selbst dabei fühlte. Nur an eine Begebenheit konnte sie sich erinnern: wie sie das Blut aus ihrer Armbeuge fließen sah und dann den Notruf per Telefon alarmierte.

Das Gericht hat vorerst sieben Tage für die Verhandlung festgesetzt und mehrere Zeugen sowie zwei Sachverständige geladen. Ein Urteil soll am 15. Juni gesprochen werden. Finden die Richter aufgrund einer Art Affekthandlung keine strafmildernden Gründe, droht der 41-Jährigen die lebenslange Freiheitsstrafe.