Zwischen Neckar und Alb
Ausstellung im Stadtmuseum Wendlingen: Vogelbilder aus drei Jahrhunderten

Sonderausstellung Bis Sonntag zeigt der Wendlinger Stadtrat Wilfried Schmid im Stadt­museum „Vogelbilder und Vogelbücher aus drei Jahrhunderten“. Von Kerstin Dannath

Nach mehrwöchiger coronabedingter Schließung kann im Wendlinger Stadtmuseum nun wieder die Ausstellung „Vogelbilder und Vogelbücher aus drei Jahrhunderten“ besucht werden. Konzipiert, bestückt und kuratiert wurde die Schau von Wilfried Schmid. Ausgestellt ist aber nur ein kleiner Bruchteil der umfangreichen Privatsammlung des 66-Jährigen, der seit vielen Jahren für die Freie Wählervereinigung im Wendlinger Stadtrat sitzt. „Zu sehen sind etwa 150 Exponate, insgesamt umfasst meine Sammlung allerdings rund 3000 Bücher, dazu kommen noch unzählige Zeitschriften, meist ganze Jahrgänge“, erklärt der mittlerweile pensionierte Augenoptiker, der sich der Ornithologie seit über 50 Jahren verschrieben hat.

„Schuld“ daran war übrigens eine Elster namens „Hansele“ – die vom damals zwölfjährigen Wilfried Schmid von Hand aufgezogen wurde. Das „Hansele“ war so zutraulich, dass es auf dem Dach auf Schmid wartete und sich auf seine Schulter setzte. Leider entpuppte sich „Hansele“ später als Mädchen und hat den jungen Wilfried wegen eines hübschen Elstermännchens schmählich im Stich gelassen, wie dem humorigen Vorwort im die Ausstellung begleitenden Heft zu entnehmen ist.

 

In der Regel bekomme ich als einer der Ersten interessante Exemplare angeboten.
Wilfried Schmid
Vogelexperte und Sammler

 

Später war Schmid bei Beringungsaktionen auf der Vogelwarte in Radolfzell dabei, dort kam er zum ersten Mal mit der umfangreichen Literatur der Ornithologie in Berührung. Der Beschäftigung mit den Vögeln verdankt Schmid viel, heißt es in dem Vorwort weiter, vor allen Dingen Ehrfurcht vor der Natur und der Schöpfung.

In der Ausstellung zeigt Wilfried Schmid, wie sich die Vogelkunde im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat. Stand anfangs noch die Jagd im Mittelpunkt – die gefiederten Wirbeltiere waren im Mittelalter eine wichtige Proteinquelle für den niederen Adel und das einfache Volk –, setzte mit dem Beginn des 18. Jahrhunderts ein Umdenken ein und die wissenschaftliche Betrachtung der Vogelwelt begann. Wegweisend dabei war das Buch „Unterricht“ von Ferdinand Adam von Pernau, erstmals erschienen 1707. Ausgestellt sind die sehr seltenen Ausgaben von 1707, 1720 und 1754.

Nicht nur diese Werke, die derzeit in der Sonderschau im Wendlinger Stadtmuseum ausgestellt sind, bewegen sich vom Wert her im vierstelligen Bereich. Potenzielle Langfinger haben aber schlechte Karten. „Wenn diese Bücher gestohlen und zum Kauf angeboten werden würden, würde ich davon erfahren“, sagt Schmid. Er gilt unter Ornithologen und in Sammlerkreisen als Koryphäe.

„In der Regel bekomme ich als einer der Ersten interessante Exem­plare angeboten“, berichtet Schmid. So verhielt es sich auch mit einem weiteren seltenen Druck­erzeugnis, das seit den 1950er-Jahren als verschollen galt: „Der ehemalige Leiter eines Münchner Museums hat das Buch auf einem Flohmarkt entdeckt und sich bei mir gemeldet.“ Bei dem Buch handelt es sich um das persönliche Handexemplar des „Sys­tematischen Verzeichnis der Vögel Württembergs“ von Martin Theodor von Heuglin mit zahlreichen handschriftlichen Ergänzungen und Zeichnungen aus dem Jahr 1840.

Auch dieses Werk ist in der Ausstellung zu sehen. „Das ist ein absolutes Highlight. So was passiert einem nur einmal im Leben“, erzählt Schmid, der sich noch immer über den Coup freut.

Über den Ornithologen Heuglin, der zudem ein versierter Afrika- und Polarforscher war, verfasst Wilfried Schmid derzeit eine umfangreiche Biografie mit angehängtem Werksverzeichnis. Der Wälzer wird 700 bis 800 Seiten stark und soll im März 2024 erscheinen, pünktlich zum 200. Geburtstag des außergewöhnlichen Autodidakten. „Heuglin war ein typischer Schwabe, pietistisch erzogen und er ging zum Lachen vermutlich in den Keller“, beschreibt Schmid den Naturforscher. Auf der anderen Seite leis­tete der mehr oder weniger mittellose Heuglin für die Wissenschaft aber auch „Unglaubliches“.

Zu dem selbstlosen Schwaben Heuglin verspürt Schmid eine Art „seltsame Nähe“, schreibt er in dem Begleitheft zur Ausstellung: „Und ich bin sehr stolz, zu diesem Forscher die umfassendste Sammlung seiner Werke zu besitzen: alle Bücher, dazu viele Briefe, Tagebücher, Landkarten und vor allem seine beeindruckenden Zeichnungen.“ Ein Bruchteil des Heuglin’schen Nachlasses ist ebenfalls jetzt im Stadtmuseum zu sehen – besonders die Zeichnungen beeindrucken mit ihrer Exaktheit und einer unglaublichen Feinheit der Striche.

 

Mit dem Fernglas unterwegs

Die Schau „Vogelbilder und Vogelbücher aus drei Jahrhunderten“ im Stadtmuseum Wendlingen läuft noch bis zum 27. Februar. Geöffnet ist die Ausstellung jeden Samstag von 14 bis 17 Uhr und sonntags von 10 bis 12 Uhr sowie von 14 bis 17 Uhr.

Bird-Watching hat sich seit einigen Jahren zu einem Trendhobby entwickelt. Wilfried Schmid, der selbst viel mit seinem Fernglas draußen unterwegs ist, sieht das allerdings kritisch: „Mit echter Ornithologie hat das nicht viel zu tun.“ Zwar begrüßt er es, wenn es junge Menschen raus in die Natur zieht. Würden aber ganze Busladungen ins Grüne gekarrt, weil irgendwer auf den Internetportalen die Sichtung einer seltenen Art gepostet hat, hinterlasse das einen schalen Nachgeschmack. kd