Lenninger Tal
Bürger sollen die Sonne anzapfen

Klimaschutz Die Gemeinde Lenningen lässt das Potenzial für Photovoltaik analysieren. Hausbesitzer bekommen eine Entscheidungsgrundlage. Von Anke Kirsammer

Per Einspeisevergütung ans große Geld zu kommen war einmal, der Schattenwurf im Lenninger Tal ist auch nicht optimal. Und trotzdem kann sich eine Photovoltaikanlage auf dem Dach lohnen. Das zumindest sagen Experten wie Dr. Sven Killinger. Er ist einer der Geschäftsführer von Greenventory. Einstimmig hat der Gemeinderat die Firma beauftragt, eine Photovoltaik-Potenzialanalyse der Dachflächen in Lenningen zu erstellen. Sie ist über die Homepage der Gemeinde voraussichtlich in zweieinhalb Monaten für jeden zugänglich. Die Kommune lässt sich das Projekt rund 16 000 Euro kosten. Profitieren können Bürgerinnen und Bürger. Durch einen Klick auf sein Gebäude sieht der Eigentümer, was machbar ist. Da interaktiv, kann er etwa den Strombedarf eingeben, ob er an einem Speicher interessiert ist und ein E-Auto geladen werden soll. „Ausgespuckt“ wird dann, wie viele Module sinnvoll sind. Wer gerne selbst plant, kann die Anlagengröße eingeben und bekommt die Kosten errechnet.

„Wir haben noch ordentlich Potenzial in der Gemeinde“, sagte Bürgermeister Michael Schlecht. Was ihm an der Geschäftsidee von Greenventory gefällt, ist die Neutralität, mit der das Freiburger Start-up die Möglichkeiten auslotet. Hinzu kommt: Da lokale Handwerker hinterlegt werden, profitiert auch das örtliche Gewerbe, wenn sich jemand dazu entschließt, sich eine PV-Anlage aufs Dach zu setzen. Auf aufwendige Beratungen lasse sich dank des „Tools“ verzichten. „Die Gemeinde nimmt Geld in die Hand, damit die Bürger die nächsten Schritte gehen können“, so der Rathauschef.

 

Bei uns im Schwarzwald haben wir auch enge Täler.
Dr. Sven Killinger
Der Geschäftsführer von Greenventory über das „Tool“, das auch die Topografie berücksichtigt.
 

Für Sven Killinger sind die Kommunen die Schlüsselakteure, soll es gelingen, die Energiewende und das ehrgeizige Ziel Null-Emission 2040 zu schaffen. Sie seien die Brückenbauer zwischen abstrakten Klimazielen und der Beteiligung der Bürger. „Das Thema entscheidet sich im Bestand. Da kann man als Kommune viel in die Wege leiten“, betonte der Wirtschaftsingenieur, der lange in der Netzplanung gearbeitet und auch in dem Thema promoviert hat. Ihren Beitrag leistet das Unternehmen, indem es zig Daten etwa zum Wetter einspeist und eine digitale Landkarte in die Website der Kommune integriert. Auch wird die Datenbasis laufend aktualisiert. Killinger geht bei einer Lebensdauer einer PV-Anlage von 25 bis 30 Jahren von einer Amortisationszeit von zwölf Jahren aus. „Die Modulpreise sind gefallen, der Strompreis erheblich gestiegen“, erklärte er. „Wer kann, sollte es aus wirtschaftlichen Gründen machen.“

Gemeinderat Dr. Ulrich Jaudas interessierte sich dafür, ob das System auch die Topografie berücksichtigt, so etwa, dass in Schlattstall ein Vierteljahr keine Sonne scheint. Die erhellende Antwort des Freiburger Ingenieurs: „Daran haben wir gedacht. Bei uns im Schwarzwald haben wir auch enge Täler.“ Falk Kazmaier bezweifelte, dass jeder Haushalt 30 Prozent des erzeugten Stroms selbst verbraucht – der Wert, der ungefähr benötigt wird, damit die Ausgabe nach rund zwölf Jahren eingespielt ist. „Wenn der Stromverbrauch gering ist, dürfen Sie keine große Anlage draufpacken“, so Killinger. Karl Boßler begrüßte das Konzept, fragte sich aber: „Wie kriegen wir die PV-Anlagen unter die Leute?“ Alice Kurz plädierte klar für das Instrument: Die derzeitige Krise zeige, wie wichtig es ist, im Energiebereich autonom zu sein.

Greenventory will die Energiewende vorantreiben

Greenventory ist ein High-Tech-Start-up mit Sitz in Freiburg. Zu dem Unternehmen gehören 22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vorwiegend Ingenieure und Softwareentwickler. Seine Aufgabe sieht es darin, Daten aufzubereiten, um die Energiewende in Kommunen voranzutreiben. Geplant ist, das Angebot um den Komplex Wärme und Heizsysteme zu erweitern.

Zu den 50 Kunden des Start-up gehören etwa der Kreis Lörrach, die Städte Singen, Schorndorf und Waldkirch, genauso das „Energienetz Saar“ und die als Stromrebellen bekannt gewordenen Elektrizitätswerke Schönau. Hervorgegangen ist Greenventory aus dem Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme und dem Karlsruher Institut für Technologie.

 Die Erfahrung z eigt, dass Bürger sich durch die datengetriebene Potenzialanalyse des Unternehmens dazu bringen lassen, eine PV-Anlage anzuschaffen. So existierten in der Stadt Staufen im Breisgau Ende 2020 200 PV-Anlagen. Über das Portal gab es innerhalb von neun Monaten 115 Anfragen und im September 2021 mehr als 40 neue Anlagen. ank

 

Kommentar von Anke Kirsammer zur PV-Potenzialanalyse

Das Geld ist gut investiert

Mit dem Votum für eine PV-Potenzialanalyse hat der Lenninger Gemeinderat eine richtige Entscheidung getroffen. Denn noch gibt es von Brucken bis Schopfloch viele Häuser, auf denen die Sonne nur die Dachplatten aufheizt. Die kostbare Energie lässt so aber weder den Rasenmäher brummen noch den Geschirrspüler gurgeln, sondern verpufft. Soll die Energiewende gelingen, müssen die „Erneuerbaren“ eine viel größere Rolle spielen als bisher. Wie wichtig es ist, sich von Öl und Gas liefernden Despoten unabhängig zu machen, zeigt sich momentan auf grausame Weise.

Die Sorge, die Bürgerinnen und Bürger könnten das Instrument ungenutzt lassen, teile ich nicht. Viele Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer liebäugeln schon lange mit einer Photovoltaikanlage. Doch ist das Thema komplex, und dass sich eine Installation mittelfristig lohnen kann, häufig nicht klar.

Wie groß der Bedarf an unabhängiger Beratung auch in Lenningen ist, zeigte sich vergangenes Jahr, als die „Solarkarawane“ zwei Wochen lang durch die Gemeinde zog. 30 Bürgerinnen und Bürger konnten ihr Dach auf PV-Tauglichkeit hin checken und sich ausrechnen lassen, ob eine Photovoltaikanlage für sie wirtschaftlich wäre. Bereits Wochen im Voraus und ohne große Werbung waren die Beratungsplätze vergeben. Viele weitere Interessierte bekamen eine Absage.

Der Wille ist also da, Sonnenenergie zu nutzen. Was einen Boom von Photovoltaikanlagen ausbremst, sind – zumindest derzeit – erhebliche Lieferengpässe bei den Bauteilen. Und natürlich muss das Geld erst einmal da sein, um sich PV-Module aufs Dach montieren zu lassen. Explodierende Preise und unsichere wirtschaftliche Aussichten sind ein weiterer Hemmschuh. Umso wichtiger, dass die Gemeinde in Vorleistung tritt.