Weilheim und Umgebung
Bürgerentscheid in Weilheim: Bahn frei für die Brennstoffzelle

Abstimmung Eine Mehrheit der Weilheimer hat sich für das Gewerbegebiet Rosenloh ausgesprochen – und damit für die Ansiedlung des Naberner Brennstoffzellenherstellers Cellcentric. Von Bianca Lütz-Holoch

Ein klares „Ja“ zum Gewerbegebiet Rosenloh: Beim Bürgerentscheid am Sonntag haben sich die Weilheimer Bürger mit großer Mehrheit für das neue Industriegebiet auf 30 Hektar Fläche im Norden der Stadt ausgesprochen. Damit ist nun auch der Weg frei für die Brennstoffzellenfabrik des Naberner Brennstoffzellenherstellers Cellcentric in Weilheim. Insgesamt 3383 Weilheimer votierten pro Gewerbegebiet Rosenloh. Das sind 70,07 Prozent der gültigen Stimmen. 1445 Wähler, also 29,93 Prozent, sprachen sich dagegen aus.

 

„Das ist ein sehr deutliches Ergebnis.
Johannes Züfle
Bürgermeister von Weilheim
 

„Das ist ein sehr deutliches Ergebnis“, sagte Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle kurz nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse am Sonntagabend im Foyer des Weilheimer Rathauses. Rund 50 Interessierte waren dorthin gekommen, um bei der Verkündung des Ergebnisses dabei zu sein. Als der Rathauschef die Zahlen nannte, brandete Applaus auf. Beifall gab es außerdem für die Wahlbeteiligung. Sie lag bei 60,7 Prozent. Das erforderliche Quorum wurde also problemlos erreicht. Damit ein Bürgerentscheid gültig ist, müssen sich mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten auf eine Seite schlagen.

Ein Kreuzchen, drei Projekte

Bei dem Bürgerentscheid zum Gewerbegebiet Rosenloh galt es für die Wähler, mit einem Kreuzchen über gleich drei Projekte abzustimmen: zehn Hektar neue Gewerbeflächen für örtliche Unternehmen, eine Entlastungsstraße, und die Ansiedlung des Naberner Brennstoffzellenherstellers Cellcentric, einem Joint Venture von Daimler Truck und Volvo. Dessen Pläne sind von herausragender Bedeutung für die Region und das ganze Land.

In den vergangenen Wochen hatten sich zahlreiche Vertreter aus Politik und Wirtschaft für den Bau der Fabrik in Weilheim stark gemacht, darunter auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Er meldete sich noch am Sonntagabend in einer Pressemitteilung zu Wort. „Die neue Brennstoffzellenfabrik ist eine Riesen-Chance für Weilheim, für die Region und ein wichtiges Signal für das ganze Land“, zeigte er sich erfreut über den Wahlausgang. Er war knapp zwei Wochen vor dem Bürgerentscheid persönlich nach Weilheim gekommen, um für die Brennstoffzellenproduktion zu werben.

Vor Ort im Weilheimer Rathaus war am Wahlabend Professor Christian Mohrdieck, Mitglied der Geschäftsführung von Cellcentric. „Wir freuen uns sehr über das Ergebnis“, sagte er. „Damit ist die wichtigste Voraussetzung für unser Vorhaben geschaffen.“ Das Unternehmen möchte in Weilheim unter dem Namen „Klimawerk“ auf insgesamt 15 Hektar Fläche eine Serienproduktion von Brennstoffzellensystemen aufbauen, die in erster Linie im Schwerlast-Fernverkehr eingesetzt werden sollen. Ziel von Cellcentric ist es, ein weltweit führender Hersteller von Brennstoffzellen zu werden.

Bürger stehen hinter Firmen

Othmar Kuck, Vorsitzender des Weilheimer Gewerbevereins und Sprecher der Bürgerinitiative „Stark für Weilheim“, war ebenfalls zur Verkündung des Ergebnisses ins Weilheimer Rathaus gekommen. „Wir sind sehr zufrieden“, sagte er angesichts des klaren Votums. „Es hat sich gezeigt, dass doch eine sehr große Mehrheit der Bürger hinter den Weilheimer Firmen steht.“

In trockenen Tüchern ist das Gewerbegebiet Rosenloh aber trotzdem nicht, wie Johannes Züfle betonte. Noch ist nämlich der Grunderwerb nicht abgeschlossen. Im Mai wird der Gemeinderat den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan fassen. Wenn alles läuft wie ge­plant, sollen die ersten Bauarbeiten in rund einem Jahr beginnen. „Das ist zeitlich eine große Herausforderung“, so Johannes Züfle.

Der Bürgerentscheid ist Schlusspunkt eines monatelangen Diskussions-, Beteiligungs- und Entscheidungsprozesses in Weilheim. Neben diversen Bürgerinfo-Veranstaltungen hatten sich 21 zufällig ausgewählte Bürger ausführlich mit dem Thema befasst und ein Bürgergutachten erstellt, das dem Gemeinderat als Entscheidungsgrundlage dienen sollte. Darin sprachen sich die Beteiligten mit großer Mehrheit für das Gewerbegebiet aus.

Dann wurden jedoch immer mehr Gegenstimmen laut, insbesondere seitens der Bürgerinitiative Rosenloh. Zu ihr hatten sich im Dezember Gegner des Gewerbegebiets und der Brennstoffzellenfabrik zusammengeschlossen. Sie forderten einen Bürgerentscheid und den Schutz von Flächen und Arten. Im Februar beschloss der Gemeinderat auf Vorschlag von Bürgermeister Züfle, dass es einen Bürgerentscheid geben solle. Gleichzeitig signalisierte der Gemeinderat mit großer Mehrheit ein „Ja“ zum Gewerbegebiet.

 

Kommentar: Große Chance für Weilheim

Mit ihrem „ja“ zum Gewerbegebiet Rosenloh haben Weilheims Bürger ein klares Zeichen gesetzt – für die heimische Wirtschaft und für den Klimaschutz. Bewiesen haben sie aber auch noch etwas anderes: Es ist sehr wohl möglich, dass Bürger einem Gewerbegebiet vor der eigenen Haustür zustimmen – zumindest dann, wenn sie hinter den geplanten Projekten stehen und die Gelegenheit erhalten haben, sich umfassend zu informieren und zu beteiligen.

Insofern ist das Votum pro Rosenloh und Klimawerk auch als Vertrauensbeweis zu werten – gegenüber dem Naberner Brennstoffzellenhersteller Cellcentric, aber auch gegenüber Stadt und Gemeinderat. Die sind nun in der Pflicht. Denn der Bürgerentscheid markiert nicht nur das Ende der Entscheidungsphase, sondern auch den Beginn der eigentlichen Planungen und dem Bau.

Jetzt gilt es, Versprechen einzulösen, das Ohr weiterhin bei den Bürgern zu haben und die bestmögliche Lösung für alle zu finden – und natürlich das Bürgergutachten wieder aus der Schublade zu holen. Dann hat Weilheim nicht nur die große Chance, Leuchtturm der Brennstoffzellentechnologie zu werden, sondern kann auch ein Paradebeispiel für gelungene Bürgerbeteiligung abgeben.