Weilheim und Umgebung
Bürgerinitiative Rosenloh: „Es geht um unsere Lebensgrundlage“

Naturschutz Die Gegner des geplanten Industriegebiets in Weilheim fordern den Schutz der Böden – und konkrete Zahlen von der Stadt. Von Bianca Lütz-Holoch

Die Botschaft ist eindeutig: „Kein Industriegebiet im Rosenloh“ und „Stimmen Sie am 24.4.2022 mit Nein“, steht auf den Plakaten, die Rebecca Zabel, Dirk Unkelbach, Thea Diez und Hansjörg Diez mitgebracht haben. Die vier sind Vertreter der Bürgerinitiative Rosenloh, die die Ausweisung neuer Gewerbeflächen im Norden Weilheims sowie die Ansiedlung des Brennstoffzellenherstellers Cellcentric verhindern will.

 

„Das sind lediglich Trostpflästerchen für die Natur.
Rebecca Zabel
über Art und Umfang möglicher Ausgleichmaßnahmen
 

Dass mit dem Bau des Industriegebiets die Feldlerche ein Stück Lebensraum und die Anwohner ein Naherholungsgebiet verlieren, sind für sie nur Teilaspekte. „Hier geht es nicht darum, dass ein paar grüne Spinner einen Vogel auf der Wiese schützen wollen“, betont Dirk Unkelbach. „Es geht um unsere Lebensgrundlage.“ Über allem stehe die Frage: „Was ist uns der Boden wert?“  Gerade vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine und den Engpässen bei Weizen und Raps ist es aus seiner Sicht mehr als legitim, sich darüber Gedanken zu machen.

Selber anbauen statt importieren

„Unser Essen kommt vom Acker und nicht aus dem Supermarkt“, stellt Unkelbach klar. Und je weniger Ackerflächen es vor Ort gibt, desto mehr muss Deutschland importieren. Das schade nicht nur der Umwelt, sondern mache auch abhängig. Wie viel Potenzial der Boden hat, rechnet Hansjörg Diez vor: „Geht man von einem durchschnittlichen Weizenertrag von sechs bis acht Tonnen pro Hektar aus, wären das auf 30 Hektar 180 bis 240 Tonnen.“ 

„Das Wachstum muss gestoppt werden“, geht Rebecca Zabel darauf ein, dass überall in der Region immer neue Gewerbe- und Wohngebiete entstehen. Damit Weilheimer Betriebe, die nach Flächen suchen, trotzdem zum Zug kommen, schlägt sie eine Nachverdichtung in bestehenden Gewerbegebieten vor.

Ein Industriegebiet Rosenloh hätte nicht nur Folgen für Natur und Boden: „Dann braucht es auch mehr Fachkräfte und neue Wohnungen“, legt sie dar. An beidem mangle es schon jetzt. Auch die Infrastruktur – von Kindergärten über Straßen bis zu Abwasserkanälen – müsse ausgebaut werden. „Damit steigen wiederum die Kosten für die Stadt“, so Zabel.

Finanzplan und Risikoanalyse gefordert

Apropos Kosten: In dem Punkt haben die Vertreter der Bürgerinitiative Zweifel, ob Weilheim wirklich von einem Industriegebiet Rosenloh profitiert. „Wir wollen einen Finanzplan und eine Risikoanalyse für den Best Case und den Worst Case“, fordert Dirk Unkelbach konkrete Zahlen von der Stadt, auch zu den Kosten für Grundstücke und Erschließung, Straßen und Infrastruktur – und zum Gewerbesteueranteil, der dann wirklich bei der Stadt ankommt. „Wenn die Bürger über Fakten abstimmen sollen, dann muss mehr drin sein als das Versprechen einer großen Chance“, so Unkelbach.

Kritisch betrachten die Vertreter der Initiative auch die Ansiedlung des Brennstoffzellenherstellers Cellcentric. „Wir halten das Risiko, sich auf einen großen Betrieb zu verlassen, für zu hoch“, sagt Rebecca Zabel. „Was machen wir, wenn es den mal nicht mehr gibt?“ Ohnehin würde sie lieber übers Energiesparen statt über Energiegewinnung nachdenken.

Zweifel an Brennstoffzellentechnik

Dass die Brennstoffzelle wirklich eine Zukunft hat, davon sind die Mitglieder der Bürgerinitiative nicht überzeugt. „Es gibt doch gar keine Ladeinfrastruktur“, gibt Dirk Unkelbach zu bedenken. „Auch an grünem Wasserstoff fehlt es“, ergänzt Rebecca Zabel. Den Standort Rosenloh hält sie für ein produzierendes Unternehmen ungeeignet. „Weilheim hat doch nicht mal einen Bahnanschluss.“ Die fertigen Produkte müssten auf der Straße statt der Schiene transportiert werden.

Skurril sind aus Sicht der Bürgerinitiative die Vorgaben zu Art und Umfang der Ausgleichsmaßnahmen. „Die Stadt Weilheim kann als Ausgleich für ein Gewerbegebiet eine Fischtreppe bauen“, nennt Rebecca Zabel ein Beispiel. „Dabei verlieren doch Feldlerchen, Bienen und Pflanzen ihren Lebensraum.“ Mit Umweltgerechtigkeit hat das aus ihrer Sicht nichts zu tun. „Das sind lediglich Trostpflästerchen für die Natur.“ Die einzig sinnvolle Lösung wäre ein echter Ausgleich: „Wenn 25 Hektar Fläche bebaut werden, müsste man der Natur 25 Hektar zurückgeben.“ 

Land ist Mangelware

Gerechtigkeit vermisst Dirk Unkelbach auch an anderer Stelle. „Wenn die Stadt einige Landwirte mit Flächen entschädigt, geht das zu Lasten anderer.“ Denn zusätzliche Flächen gebe es in der Region nicht. „Viele Bauern haben Probleme, Land zu bekommen“, weiß Thea Diez.  

Dass die Bürger in Sachen Rosenloh zur Urne gebeten werden, begrüßt die Initiative. Sie hatte sich seit ihrer Gründung für einen Bürgerentscheid eingesetzt. „Uns ist die freie Meinung wichtig“, sagt Thea Diez. Ihr Vater Hansjörg Diez ergänzt: „Die Weilheimer sollen selbst entscheiden, ob sie das Gewerbegebiet wollen oder nicht.“ Neue Gräben aufwerfen wollen die Vertreter der Bürgerinitiative dagegen nicht. „Wir werden sachlich bleiben und respektieren, dass jeder seine Meinung hat“, verspricht Rebecca Zabel und ergänzt: „Ich wünsche mir, dass man sich trotzdem noch Grüß Gott sagt.“

 

Am Dienstag, 29. März, um 18.30 Uhr gibt es eine Infoveranstaltung in der Weilheimer Limburghalle zum geplanten Gewerbegebiet Rosenloh und die Ansiedlung des Brennstoffzellenherstellers Cellcentric aus Nabern. Der Bürgerentscheid findet am 24. April statt.