Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein und dann nicht wie raus nach Wannsee“, heißt es in einem alten Schlager. Für den Reisetipp in den Ferien heißt es jedoch, ab nach Bad Wimpfen. Doch bevor die Badehose dort im Solebad ausgepackt wird, sollten sich Besucherinnen und Besucher zuerst einmal die Stadt genauer ansehen und deren Wahrzeichen besteigen: den Blauen Turm. Er prägt nicht nur die Silhouette der Staufferstadt, sondern ist seit dem 14. Jahrhundert Hochwachturm der freien Reichstadt mit einem ständig dort lebenden Türmer.
Aktuell ist das Blanca Knodel. Die 72-Jährige bewohnt seit 1996 die 53 Quadratmeter große Türmerwohnung und ist die erste Frau in diesem Amt seit Bestehen des um 1200 errichteten Turms als westlicher Bergfried der größten staufischen Kaiserpfalz nördlich der Alpen.
Außer montags kann der Turm von 10 Uhr bis 18 Uhr bestiegen werden. „Natürlich habe ich auch auf, wenn ein Feiertag auf einen Montag fällt“, sagt Knodel. Der Besucher oder die Besucherin muss nach 134 Stufen die Mautstelle an ihrem Wohnungseingang passieren. Dort kassiert sie das Eintrittsgeld, bevor es die restlichen 33 Stufen bis zum Rundgang auf 32 Metern Höhe hinauf geht. Oben angelangt, bietet sich ein Rundblick über die mehr als 7000 Einwohner zählende Stadt und das Neckartal.
Die Stadt besteht aus den drei Stadtteilen Bad Wimpfen am Berg, Bad Wimpfen im Tal und Hohenstadt. Während Hohenstadt landwirtschaftlich geprägt ist, liegt in Bad Wimpfen im Tal der Schwerpunkt auf Industrie und Gewerbe. In der unter Denkmalschutz stehenden Talstadt befindet sich die Ritterstiftskirche mit dem Kloster Bad Wimpfen und der Alte Bahnhof mit der S-Bahnhaltestelle. Das Bahnhofsgebäude ist der einzige neugotische Bahnhof in Süddeutschland. Er wurde 1868 mit der Erweiterung der Bahnlinie Heidelberg - Sinsheim – erbaut. Vor dem Bahnhof befindet sich ein Halteplatz für Reisebusse und ein großer PKW-Parkplatz. Außerdem fährt der Bürgerbus von hier aus zu verschiedenen Haltepunkten in der Stadt am Berg und im Tal.
Der „Alte Bahnhof“ ist unter anderem Ausgangspunkt für Stadtführungen und Planwagenfahrten. 44 Gästeführerinnen und Gästeführer bieten die unterschiedlichsten Stadtführungen an. Der Klassiker: „Bad Wimpfen entdecken“, ein ein- bis eineinhalbstündiger Stadtrundgang durch die denkmalgeschützte Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern, der staufischen Kaiserpfalz mit dem Blauen und Roten Turm, steht bis 29. November und während des Weihnachtsmarktes immer mittwochs ab 14 Uhr oder samstags ab 11 Uhr auf dem Programm.
Außerhalb dieser Zeiten können Interessierte mit der Lauschtour rund 45 Minuten auf eine Erkundungsgang durch die Altstadt gehen. Rund 1,2 Kilometer ist die Strecke. Einfach die Lauschtour-App im App Store oder bei Google Play herunterladen und los geht es bei der Tourist-Information Hauptstraße 45.
Doch wer es individueller haben möchte, der geht zunächst vom Bahnhof aus den Berg hinauf, durch den im 15. Jahrhundert erbauten unteren Stadteingang mit dem barocken Stadtwappen von 1781, in dem der Reichsadler den Petrusschlüssel im Schnabel hält. Dann schlendert man durch die Hauptstraße, passiert das Schwibbogentor, begibt sich hinauf ins Burgviertel direkt zum Blauen Turm und lässt sich von Blanca Knodel und ihren vielen Geschichten inspirieren. „Bad Wimpfen hat wirklich schöne Ecken“, sagt die ehemalige Gastwirtin. Sie muss es wissen – stammt sie doch aus der ältesten Familie der Staufferstadt. Hinter ihr an der Mautstelle hängt ihr Stammbaum. Er reicht bis 1645 zurück. Fotografien ihrer Familie zieren die Wand über dem Klavier. Knodel erzählt, wie der 200 Jahre alte „Blüthner“ innerhalb von sieben Minuten die Turmstufen von „zwei rechten Bären mit Gurten“ hochgetragen worden ist, ihre jüngste Tochter darauf Klavier spielen gelernt hat und wie sie mit manchem Gast den Türmerinnensekt trinkt. Nicht jeder bevorzuge jedoch den mit dem Blauen Turm und mit ihrer Unterschrift etikettierten Schaumwein. Ihr ältester Turmbesucher, ein 95-Jähriger, habe es vorgezogen, Trollinger mit Lemberger zu trinken. Nach drei Viertele habe er die letzten Stufen erklommen, erinnert sich Knodel lachend.
Sie liebe ihren Beruf und die vielen Erlebnisse. Knodel blickt zur Stadtkirche hinunter. „Hier gibt es so viele Feelings“, sagt sie. Sie wolle so lange weitermachen, wie es ihr Spaß mache und sie gesund bleibe.