Historie
Barbara Silber aus Dettingen war eine gefährliche Anstifterin

Die mutige Frau beteiligte sich an den Aufständen des Bauernkriegs vor 500 Jahren. Ihr Widerstand hatte Sprengkraft, wie eine Urkunde belegt. 

Lea Wegner stellte die Rolle der Frau im Bauernkrieg in den Vordergrund ihres Vortrags - und die Dettinger Anstifterin Barbara Silber. Foto: Iris Häfner

Die Frauen im Bauernkrieg in den Fokus gerückt hat Lea Wegner. Zufallsfunde bringen ein klein wenig mehr Licht in dieses Kapitel. Dabei handelt es sich bis auf eine Ausnahme um schriftliche Überlieferungen, die von Männern in der frühen Neuzeit geschrieben wurden – und zwar in ihrem Sinne aus gleich zweifacher Sicht: Die Frau war das schwache Geschlecht, hatte ihr Mundwerk im Zaum zu halten, milde, sittsam und gläubig zu sein. Außerdem wurde es von der Herrschaft, den Adligen und ihren Helfershelfern verfasst, die wenig von ihrer Macht abgeben und das Volk am Gängelband halten wollten.

Lea Wegner ist die Leiterin des Deutschen Bauernkriegsmuseums in Böblingen. In ihrem Vortrag „Barbara Silber – eine Dettinger Anstifterin und die Rolle der Frau im Bauernkrieg“ spürte sie anhand mehrerer Beispiele aus dem Herzogtum Württemberg diesem Thema nach. Es war eine wahre Flutwelle an Informationen, die auf die Zuhörerinnen und Zuhörer hereinbrach. Lea Wegner ordnete die Zeit ein, beschrieb, was aus den „eingefärbten“ Quellen herauszuhören und zu -lesen ist. Die Forschung ist davon nicht ausgenommen. Auch sie hat nahezu komplett die männliche Brille auf. Zudem ist jeder Krieg militärisch und damit bis vor kurzem rein männlich dominiert.

 

Die Strafe, die Barbara Silber auferlegt wurde, war sehr, sehr hart.

Lea Wegner

 

Es gab und gibt sie aber trotzdem, die Frauen, die sich nicht allen Zwängen unterordnen. Die adligen Damen hatten es da ein stückweit einfacher, doch es gab beispielsweise auch eine Druckerin in Tübingen zu Bauernkriegszeiten. Und in großen Städten wie Köln Frauenzünfte – im Stadtrat durften sie jedoch im Gegensatz zu ihren männlichen Zunftkollegen nicht sitzen.

„Wo sind die Frauen im Bauernkrieg? In der Forschung haben sie bisher keine Rolle gespielt“, sagte Lea Wegner. Kirchheim ist mit 200 Mann Aufständischen und einer Frau notiert. „Dank der Digitalisierung kann man immer gezielter suchen und so auch Frauen finden.“ Eine wichtige Quelle sind die Urfehden. In diesen Schriftstücken beeideten die Unterzeichner einen Verzicht. Geschrieben wurden sie jedoch im Sinne des Herzogtums Württemberg. 

In solch einer Urfehde tauchte plötzlich der Name Barbara Silber auf. „Ich Barbara Hannsen Silbers von Dettingen Schlossberg ehelich Hausfrau, bekenn offentlich und thun kunth allmeniklich mit diesem brieff, als ich in verganngener peurischer vffruf vnnd embörung mich verkörte gemuete vnnd willens vielfältiger vnnützer böser Reden […] vernemen lassen vnd annder vff sollich verkört weys furpringen vnderstannden hat“, beginnt das Schriftstück auf Pergament, das im Hauptstaatsarchiv Stuttgart aufbewahrt wird.

„Die Sprengkraft dieser Frau wurde in ihrem Widerstand gesehen. Das Geschlecht spielte in dem Fall keine Rolle“, sagte Lea Wegner. „Die Strafe, die ihr auferlegt wurde, war sehr, sehr hart. Ihr wurde ihre Familie, ihre Existenz genommen und sie erlitt den Verlust ihrer Untertanenrechte“, nannte die Referentin die tiefgreifenden Konsequenzen. Barbara Silber musste Württemberg verlassen. 

„Diese Urfehde ist spannend, weil sie das Dilemma deutlich macht, das weiblicher Widerstand für die Herrschenden bedeutete. Schädliches Verhalten aus ihrer Sicht musste hart bestraft werden, gleichzeitig gab es ein milderes Vorgehen gegen das schwache Geschlecht. Das forderte Kompromissfähigkeit“, erläuterte die Referentin. Deshalb hätten Frauen bewusst Funktionen übernommen, weil es für sie mildere Strafen gab. „Das waren Botengänge, denn sie waren geschlechtsspezifisch. Frauen konnten auf dem Markt Flugblätter verteilen und Reden halten und so Botschaften verbreiten – unter der Prämisse: na ja, wir Frauen haben eben ein loses Mundwerk. So haben sie die gesellschaftliche Ordnung für sich genutzt“, führte Lea Wegner aus.

Barbara Silber wurde als Anstifterin erkannt. Todesurteile von Frauen sind bislang nicht bekannt, im Gegensatz zu den männlichen Aufständischen. „Die Urfehde von Barbara Silber liefert einen zentralen Einblick in die Regierung und hat ein anderes Quellenniveau. Der Bericht ist nicht so überzeichnet wie andere. Das wird uns weiterbringen in der Forschung, wie mit den Frauen damals umgegangen worden ist“, ist sie überzeugt. 

Lea Wegner berichtete noch von drei weiteren Frauen und der Reformation als Antriebsfeder und Impulsgeber. „Auch Barbara Silber hat das motiviert. Wie viele andere war sie kirchen- und obrigkeitskritisch eingestellt", sagte Lea Wegner. Sie verwies darauf, dass im Bauernkrieg die Männer plötzlich abkömmlich wurden. „Frauen übernahmen die Tätigkeiten der Männer, sei es bei der Arbeit oder der Verwaltung der Güter. Die Männer waren im Kampf, tot, gefangen oder auf der Flucht.“ 

In die Schlossberghalle eingeladen hatte der Geschichtsverein Dettingen im Rahmen der Veranstaltungsreihe „500 Jahre Bauernkrieg“. „Wir ehren damit die Menschen, die vor langer Zeit um Menschenwürde gekämpft haben. Mit Barbara Silber haben wir einen konkreten Bezug zu unserem Ort. Es zeigt, was für ein aufrührerisches Neschd wir waren“, sagte Ulrike Schweizer, Vorsitzende des Geschichtsvereins, bei ihrer Begrüßung.