Die Bestandsaufnahme wurde mit Christian Lira, Mitglied des Inklusionsbeirats und des Mobilitätsausschusses der Stadt Esslingen sowie des Esslinger Ortsverbands des Sozialverbands VdK, und Bürgermeister Sven Haumacher besprochen. Ulrich Blattner sitzt ebenso wie Christian Lira im Rollstuhl. Beide wissen daher aus ihren persönlichen Erfahrungen im Alltag sehr gut, wo die Hindernisse in Sachen Barrierefreiheit liegen. Die aktuelle Notzinger Bestandsaufnahme erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sei aber ein erster Überblick zu sichtbaren Problemstellen im Ort, erklärte Ulrich Blattner: „Vielleicht kann man im Mitteilungsblatt noch eine Umfrage starten, bei der weitere Stellen genannt werden könnten“, so ein Vorschlag, der umgesetzt werden soll.
Positiv fiel auf: Öffentliche Gebäude wie das Notzinger Rathaus, die Sport- und die Gemeindehalle sind bereits barrierefrei zugänglich und verfügen zudem über entsprechende Toiletten. Im Rathaus wurde bei der Sanierung zudem ein Aufzug eingebaut. „Es gibt hier allerdings nur ein barrierefreies WC im Erdgeschoss, im Obergeschoss beim Sitzungssaal nicht“, ergänzte Ulrich Blattner. Aus Platzgründen sei das dort nicht möglich gewesen, erläuterte Sven Haumacher.
Barrierefrei zugänglich ist auch die Grundschule, ebenso ein dortiges WC. Allerdings sind aufgrund von Treppen nicht alle Klassenzimmer ohne Hindernisse erreichbar. „Vor ein paar Jahren hatten wir einen Schüler, der im Rollstuhl saß. Wir haben das so organisiert, dass er für den Unterricht nur in den ebenerdig gelegenen Klassenzimmern im Altbau untergebracht war“, erklärte Schulleiterin Susann Knapp bei einem kurzen Besuch der Runde. Mittlerweile seien zudem alle Räume medial so ausgestattet, dass man Treppen-Hindernisse, die den Wechsel auf andere Stockwerke möglicherweise verhindern, damit auffangen könne. Barrierefrei zugänglich, aber ohne entsprechende Sanitärräume sind die örtlichen Kindergärten, jener im Alemannenweg dient zudem als Wahllokal. Etwas zu steil sei die Rampe am Wellinger Bürgerhaus: „Eine maximale Steigung von sechs Prozent ist bei öffentlichen Gebäuden optimal, im privaten Bereich maximal 20 Prozent, da ansonsten der Rollstuhl nach hinten rollen oder kippen kann“, erläuterte Christian Lira. Sei eine Rampe länger als sechs Meter, sollte es eine Zwischenstoppmöglichkeit geben. „Die Sanierung des Bürgerhauses ist schon länger Thema, in den kommenden drei, vier Jahren wird es aber vermutlich noch nicht ins Landessanierungsprogramm aufgenommen, was für eine Förderung das Ziel wäre“, informierte Sven Haumacher.
Ein weiterer Punkt sind die Bushaltestellen im Ort: Nur vier von zehn sind barrierefrei. Zumindest in manchen Fällen könne man daran etwas ändern, so Haumacher. Ein erhöhter Bordstein, der den Zugang zu den Bussen mittels deren Rampe ebener gestaltet, könne allerdings zum Beispiel nicht gebaut werden, wenn sich im Umfeld mehrere Zufahrten befinden, wofür er abgesenkt sein muss. „Im Schnitt ist ein Hochbord 18 Zentimeter hoch“, erklärte Christian Lira, „bei der Bushaltestelle am Rathaus in der Wellinger Straße sind es aktuell nur zehn Zentimeter“, zeigte seine Messung.
Beim Rundgang demonstrierte der Fahrer eines zufällig gerade ankommenden Busses spontan den Einsatz der Einstiegsrampe und bestätigte, dass an dieser Stelle ein etwas höherer Gehweg hilfreich wäre. „An der Rathaus-Haltestelle könnte das theoretisch umgesetzt werden, auch unabhängig von einer Straßensanierung. Nachträglich möglich wäre es wohl auch bei jener in der Roßwälder Straße“, so Sven Haumacher, der das mit den zuständigen Behörden abklären wird.
Fahrpläne hängen zu hoch
Kurzfristig verbesserbar sei in Absprache mit dem VVS auch der angesprochene Punkt, dass die Fahrpläne an den Haltestellen teils zu hoch hängen, um etwa vom Rollstuhl aus gut gelesen werden zu können. „Allein schon, weil das durch den Winkel nach oben dann für uns oft reflektiert oder man nicht nah genug an den Fahrplan herankommt. Bei jenem an der Rathaushaltestelle ist davor zum Beispiel ein Mülleimer angebracht“, schildern Ulrich Blattner und Christian Lira die Schwierigkeiten.
Angesprochen wurden außerdem die fehlenden akustischen Ampelsignale für Sehbehinderte bei den beiden Ampeln im Ort an der Landesstraße Richtung Kirchheim. Auch hier soll möglichst kurzfristig Abhilfe geschaffen werden. Es sei klar, dass nicht alles sofort verbessert werden könne. Wichtig sei aber, das Thema Barrierefreiheit auch in Zukunft etwa bei allen Baumaßnahmen immer mit im Blick zu behalten, so das Resümee von Ulrich Blattner und Helmut Langguth.
Wo ist Notzingen außerdem noch nicht barrierefrei?
Gehwege An fast allen Gehwegen fehlen abgesenkte Bordsteine an den Übergängen. Manche Stellen können eventuell im Zuge des Glasfaserausbaus verbessert werden. Teils sind Steigungen auf Gehwegen vorhanden, eine Längssteigung von 2,5 Prozent sollte nicht überschritten werden. Manche sind schräg, was im Rollstuhl eine Kippgefahr mit sich bringt. Sehr problematisch: die teils sehr schmalen Gehwege, etwa entlang der Kirchheimer Straße. Ein Selbstversuch von Ulrich Blattner mit dem Rollstuhl zeigte: Man kommt dem vorbeifahrenden Verkehr gefährlich nahe. Es soll geprüft werden, ob dieser an den entsprechenden Stellen mittels Hindernis verlangsamt werden könne. Ein Haken ist der Radschutzstreifen Richtung Kirchheim.
Zebrastreifen Bemängelt wurden fehlende Zebrastreifen im Ort, etwa an der Wellinger Straße im Bereich des Friedhofs, wo Tempo 50 gilt. Sven Haumacher erklärte, die Sicht sei hier in beide Richtungen gut. Eine Genehmigung durch die Verkehrsbehörde für einen Zebrastreifen erfordere mehrere Punkte. In 30er-Zonen etwa gehe es nicht, es sei denn, es handele sich zum Beispiel um einen Schulweg, ergänzte Christian Lira.
Schotter Der Fahrrad- und Spazierweg parallel zur Ötlinger Straße in der Verlängerung zum Kreisverkehr hat einen schlecht befahrbaren Grobschotterbelag. Er soll zum Radweg ausgebaut werden, hierfür ist noch das Ergebnis der Artenschutzprüfung abzuwarten.
Restaurants Im privaten Zuständigkeitsbereich liegt die Barrierefreiheit in den Notzinger Restaurants. Die Kelter habe einen barrierefreien Zugang, aber keine solche Toilette, beim Restaurant L’Italiano fehle ein rollstuhlgerechter Zugang „und im Innenbereich kann man sich so äußerst schwer bewegen“, berichtete Ulrich Blattner. Im Restaurant Eichert sei die Barrierefreiheit „im Außenbereich ok, innen geht so“. eis