Weilheim und Umgebung
Bauplätze Mangelware: Viele wollen bauen – nur wo?

Stadtplanung Manfred Mezger aus Bad Boll berät über 70 Gemeinden in der ganzen Region zur Entwicklung von Bauland, denn hier drückt der Schuh. Der Fachmann weiß: Frühzeitige Bürgerbeteiligung ist wichtig. Von Simon Scherrenbacher

Mehrmals in der Woche eine Gemeinderatssitzung, manchmal sogar mehrere an einem Abend: Für Manfred Mezger vom Büro „mquadrat“ in Bad Boll ist das beileibe nichts Ungewöhnliches. Der Stadtplaner und sein 16-köpfiges Team beraten Kommunen unter anderem bei der Erschließung von Gewerbe- und Wohngebieten sowie bei der Gemeinde- und Stadtentwicklung. Die aktuellen Herausforderungen ähneln sich dabei landauf wie landab.

Herr Mezger, Sie sind ein regelmäßiger Gast in Gemeinderatssitzungen. Warum haben die Kommunen einen so hohen Bedarf an Beratung zur Stadtplanung?

Manfred Mezger: Die Gemeinden mussten hier aktiver werden, weil einfach eine wahnsinnig große Nachfrage nach Bauland besteht – sowohl von Seiten der Gewerbetreibenden als auch von Privatleuten. Dabei geht es nicht immer nur darum, den Eigenbedarf zu decken: Immobilien dienen in Niedrigzins-Zeiten zunehmend als Kapitalanlage. Doch junge Familien mit Kindern wollen nach wie vor ihr eigenes Häusle, selbst wenn sie dafür 20 Prozent mehr bezahlen als noch vor ein paar Jahren.

In der Stadt können sich das nur die allerwenigsten leisten, weshalb viele aufs Land ziehen.

Mezger: Das stimmt, und der Speckgürtel wird immer größer. Mittlerweile überlagern sich die Einzugsgebiete von Stuttgart und Ulm. Das führt auch dazu, dass die Preise immer höher und die Grundstücke immer kleiner werden. Konnten sich Eigenheimbesitzer früher 600 oder 700 Quadratmeter leisten, sind wir heute schon bei weniger als 400 Quadratmetern.

Viele Häuser erweisen sich als überdimensioniert, wenn die Kinder später einmal ausgezogen sind.

Die Bewohner selbst sehen das nicht immer so. Sie bleiben im Alter länger fit und sehen oft keinen Grund, ihre gewohnte Umgebung zu verlassen. Oft heißt es dann, dass man den Platz braucht, wenn die Kinder mit den Enkeln zu Besuch kommen – auch wenn das nur zwei Mal im Jahr der Fall ist. Dabei gibt es mittlerweile attraktive, barrierefreie Wohnungen, die großzügig geschnitten sind.

Taugen Tiny-Häuser als Alternative?

Sie werden das Wohnungsproblem nicht lösen können. Wer so leben möchte, darf das natürlich. Man sollte aber nicht mit einer großen Kostenersparnis oder einer ressourcenschonenden Bauweise rechnen, weil wenig Wohnraum viel Hülle gegenübersteht. Tiny-Häuser können dann interessant werden, wenn sie in Gruppen erstellt und mit gemeinsamen Einrichtungen ergänzt werden.

Bringt der kürzlich verlängerte Paragraf 13b des Baugesetzbuches, also die Erschließung von Wohngebieten im beschleunigten Verfahren, auch nichts?

Der 13b hat seine theoretischen Vorteile, kann die Verfahrensdauer aber nicht wirklich abkürzen. Der mögliche Verzicht auf eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden ist eher kontraproduktiv. Diese frühzeitige Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ist enorm wichtig, damit man mögliche Probleme schon zu Beginn aus dem Weg räumen kann. Auch die wegfallende Pflicht zum naturschutzrechtlichen Ausgleich besteht nur in der Theorie. Überwiegend wird ein Ausgleich für den Eingriff geschaffen und der Natur wieder etwas Gutes getan.

Die Bürgerbeteiligung kann schnell zur nervenzehrenden Angelegenheit werden, weil ja immer irgendjemand gegen irgendetwas protestiert.

Mein Eindruck ist auch, dass man hier an Grenzen stößt, weil sich eine gewisse Sättigung breit macht und die Gesellschaft egoistischer zu werden scheint. Man darf aber auch nicht vergessen, dass der Schutz von Klima und Natur einen anderen Stellenwert bekommen hat, als dies noch vor Jahren der Fall war. Oft scheitert die Beteiligung aber auch daran, dass die sich einbringenden Bürger nicht dem Querschnitt der Bevölkerung entsprechen. Ich bin deshalb ein Verfechter von offenen Präsenzveranstaltungen, die während der Pandemie natürlich schwierig zu organisieren sind.

Wie lassen sich die vielen Baulücken schließen, die im Inneren der Gemeinden klaffen?

Sie können die Grundstücksbesitzer nicht dazu zwingen, zu verkaufen oder zu bauen, die Ansätze des gesetzlichen Baugebots gehen ins Leere. Die Gemeinden haben nur die Möglichkeit, bei der Erschließung von neuen Gebieten ein Baugebot zu verhängen, damit nicht jahrzehntelang nachts leere Flächen beleuchtet werden.

Noch einmal zurück zu den Gewerbegrundstücken: Haben wir nun genügend davon oder nicht?

In der Region fehlt es eindeutig an zusammenhängenden Flächen von bis zu 30 Hektar, wie sie die Automobilindustrie für ihre Transformationsprozesse benötigt. Hier an Flächen zu kommen, ist außerordentlich schwer. In den Kommunen selbst besteht aber auch ein Eigenbedarf. Diesen decken zu können, ist für die Gemeinden sehr wichtig, um Abwanderungen der Firmen entgegenwirken zu können. Wenn es also um die Nachfrage geht, haben wir nicht genug davon.

 

Manfred Mezger hat 20 Jahre Erfahrung als Berater

Manfred Mezger ist gelernter Vermesser und hat sich danach berufsbegleitend zum Bautechniker ausbilden lassen. Im Anschluss folgte ein Studium der Architektur und Stadtplanung an der Fachhochschule Stuttgart. 2002 eröffnete er sein Büro in Zell unter Aichelberg und zog drei Jahre später nach Bad Boll um. Seit 2016 befindet sich „mquadrat“ in einem Gebäude an der Badstraße.
Mit einem MItarbeiterstab aus 16 Leuten aus den Bereichen Stadt- und Landschaftsplanung, Bauingenieurwesen, Vermessungstechnik und Biologie berät Manfred Mezger über 70 Kommunen in der Region und nimmt dazu auch an bis zu 180 Gemeinderatssitzungen im Jahr teil. Von 1989 bis 1999 saß er selbst für die Fraktion der Freien Wähler im Bad Boller Gemeinderat. sis