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Bauträger des Ärztehauses in Aichtal ist pleite

Krise Kurz vor Fertigstellung des Gebäudes in Grötzingen ist das Unternehmen aus Pleidelsheim insolvent.

Aichtal-Grötzingen. Der Bau der Ärztehauses in Aichtal wird seit Jahren von Negativschlagzeilen begleitet. Immer wieder kam es zu Bauverzögerungen. Auch die Vermarktung der Räume lief nicht wie gewünscht: Ärzte blieben aus, auch für drei Wohnungen konnten keine Interessenten gefunden werden. Jetzt folgt das nächste Kapitel: Der Bauträger Paulus Wohnbau hat ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung angemeldet. Bei dieser Form des Insolvenzverfahrens bleibt die Geschäftsführung in den Händen des Schuldners. Laut Nicolaj Pietsch, Leiter für Verkauf, Vermietung und Marketing bei Paulus, habe man schlicht zu wenige Wohnungen verkauft. „In diesem Jahr waren es von Januar bis August drei Wohnungen. 2022 waren es im gleichen Zeitraum 65, ein Jahr zuvor 90. Wir haben unter der Kaufzurückhaltung zu leiden.“ Im vergangenen Jahr habe man mit Wohnungsverkäufen noch 52 Millionen Euro erzielt, dieses Jahr seien es gerade einmal zwei Millionen Euro. Die fehlenden Einnahmen habe das Unternehmen bislang kompensieren können. „Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem das nicht mehr möglich war“, so Pietsch: „Laufende Rechnungen können nicht mehr bezahlt werden.“ Vom Amtsgericht wird dem Unternehmen ein Sachwalter zur Seite gestellt, der mit der Firma die Sanierungspläne durchgeht. „Wir wollen weitermachen“, sagt Pietsch. Man hofft, dass sich der Markt wieder stabilisiert und die Menschen in Immobilien investieren.

Gespräche mit der Bank

18 unvollendete Bauprojekte hat die Paulus Wohnbau derzeit, darunter auch das Ärztehaus in Aichtal. „Wir führen nun Gespräche mit der Bank“, sagt Pietsch. Um Projekte wie das Aichtaler Ärztehaus fertigstellen zu können, muss die Bank in Vorleistung gehen. Zwischen zwei und fünf Wochen dürften die Verhandlungen dauern. So lange werde nicht weitergebaut. An dem Gebäude müssen noch die Außenanlagengebaut werden. Auch die drei freien Wohnungen sind noch nicht fertiggestellt. In Betrieb ist bereits eine Zahnarztpraxis. Nachdem sich die Eröffnung des Geburtshauses „Amma“ im Erdgeschoss mehrmals verzögert hatte, sollen an diesem Wochenende auch erste Kurse in der Hebammen-Praxis stattfinden. Von der Insolvenz des Bauträgers habe man nichts gewusst, sagt Hebamme Nathalie Rose. Überrascht sei sie allerdings nicht: „Nicht nach dem was wir alles erlebt haben.“ Das einzige Geburtshaus im Kreis Esslingen sollte eigentlich im März eröffnen, immer wieder sei man von Paulus vertröstet worden. „Wir haben häufiger von Handwerkern gehört, dass sie nicht bezahlt wurden“, so Rose.

Laut Pietsch habe die Bauverzögerung nichts mit der finanziellen Situation der Firma zu tun. „Ein solches Projekt wird am Anfang durchfinanziert.“ Für die Verzögerungen seien Faktoren wie Materialknappheit und Handwerkermangel verantwortlich. Auf die aktuellen Mieter des Ärztehauses habe die Insolvenz keine Auswirkungen.

Das Aichtaler Ärztehaus sei eine „unendliche Geschichte“, sagt Bürgermeister Sebastian Kurz. Von der Insolvenz sei er im Urlaub überrascht worden. Seit vielen Wochen gebe es keinen Kontakt zwischen der Stadt und dem Unternehmen. Kurz ist erleichtert über den Zeitpunkt der Insolvenz: „Wir können froh sein, dass die Insolvenz kurz vor Fertigstellung kommt. Sonst hätten wir eine Bauruine.“ Mittlerweile könne man „den Anblick ertragen“. Matthäus Klemke