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Bei den Wendlinger Stücklesbesitzern ist eine trügerische Ruhe eingekehrt

Landschaftsschutz Die meisten Wendlinger Stücklesbesitzer bauen die Einfriedungen auf ihren Streuobstwiesen zurück. Doch mit manchen Einwänden des Landratsamts sind nicht alle einverstanden. Von Gaby Kiedaisch

Unter der Decke brodelt es. Große Hoffnungen haben sich einige betroffene Wendlinger Stücklesbesitzer nach dem letzten Treffen mit Vertretern des Landratsamts und der Ministerien im Treffpunkt Stadtmitte gemacht. Einige dachten, da geht noch etwas. Doch spätestens nachdem die Petition niedergeschlagen wurde, folgte auf den Optimismus recht schnell Ernüchterung.

 

Die Besitzer hätten nicht überfallartig vor neue Tatsachen gestellt werden dürfen.
Helmut Bauer
Der Besitzer eines Stückles in Wendlingen zur fehlenden Kommunikation
 

Schon vorher hatten die Ersten zurückgebaut, nicht genehmigte Bauten im Landschaftsschutzgebiet. Das liegt fast schon zwei Jahre wieder zurück. Während das Petitionsverfahren noch lief, hatten die betroffenen Stücklesbesitzer nichts aus dem Landratsamt, der zuständigen Fachbehörde, zu befürchten. In den letzten Monaten haben nun die etwa 40 Eigentümer öffentlich-rechtliche Verträge erhalten, womit sie sich verpflichten sollen, auf die gerügten Bauten im Landschaftsschutzgebiet und im Vogelschutzgebiet zu verzichten. Auch Hermann Sommer ist darunter. Der Vertragsentwurf wurde nach den von Sommer vorgelegten Unterlagen und Erklärungen, die nachweisen, was vor 1992 schon da war, überarbeitet. Es liegt nun an Sommer, diesen zu unterschrieben und sich mit den darin enthaltenen Maßnahmen einverstanden zu erklären.

Dabei gibt das Landratsamt dem Eigentümer der Streuobstwiese Zeit. Man sei nicht an einer schnellen Erledigung interessiert, heißt es im Schreiben des Amts für Bauen und Naturschutz, sondern vielmehr an einer einvernehmlichen Lösung. „Wir sind weiterhin an einer einvernehmlichen Lösung interessiert und begrüßen es, wenn der besprochene öffentlich-rechtliche Vertrag zustande kommt.“

Der Zaun muss weg

Wie Sommer muss auch Helmut Bauer, der in Wernau wohnt und wie die meisten anderen am Hausener Berg auf Gemarkung Wendlingen seit 1978 ein Stückle und seit 2019 ein zweites besitzt, Waschbetonplatten zurückbauen. Bei ihm sind es elf Quadratmeter, die vom Landratsamt moniert wurden und jetzt weg müssen. Das Landratsamt hat ihn ebenso dazu aufgefordert, einen Maschendrahtzaun und Metallstabgitterzaun auf seinem Grundstück innerhalb von fünf Monaten zu beseitigen.

Während der Metallstabgitterzaun bereits weg ist, ist auch ein Vordach an einer Holzhütte mit 13 Quadratmetern ins Visier des Amtes gekommen, genauso wie ein angebautes Holzlager an der Holzhütte. Das Beispiel mit dem Vordach zeigt, wie nah Abbruch und Erhalt beieinander liegen, oder anders ausgedrückt, was erlaubt und nicht erlaubt ist: Weil das Dächle zwei Stützen hat, die im Boden fest verankert sind, und es sich dabei um einen umbauten Raum handelt, der verboten ist, muss Bauer das Dächle beseitigen. Wenn das Vordach frei tragend wäre, würde es nicht gegen das Gesetz verstoßen und dürfte bleiben.

Was der 82-Jährige auch nicht nachvollziehen kann, ist die Sache mit dem Holzlager an der Hütte. Wenn die Holzbeige bis maximal 50 Quadratmeter ohne bauliche Anlage auf der Wiese stünde, wäre sie wiederum erlaubt, schüttelt Bauer verständnislos den Kopf. Deshalb hat er erst einmal Widerspruch gegen diesen Vertrag eingelegt.

Gerhard Mayer, der wie Hermann Sommer ebenfalls einen Rechtsanwalt zu Hilfe genommen hatte, hat ein Einsehen: „Rechtlich können wir nichts mehr erwirken“, sagt der 72-Jährige. „Jetzt sind wir Einzelkämpfer.“ Während eine Hütte bei ihm stehen bleiben darf, muss er eine andere entfernen, sagt er. Als Beweismittel werden vom Landratsamt Fotos anerkannt. Mayer hat noch einen Termin mit dem Landratsamt im Juni. Ein Thema bei dem Vor-Ort-Termin, sagt Mayer, wird noch der Wildzaun sein, der aus dem Jahr 1971 stammt. Doch Fotos aus der Zeit gibt es davon nicht, vielleicht geben Luftaufnahmen Aufschluss, man wird sehen.

„Viele haben nicht gewusst, dass das Gebiet 1992 Landschaftsschutzgebiet geworden ist und seither andere Bestimmungen gelten“, sagt Helmut Bauer. Seiner Meinung nach hätte die Stadt Wendlingen reagieren und die Eigentümer darauf aufmerksam machen müssen. „Wäre mal jemand durch die Streuobstwiesen gelaufen und hätte uns informiert, dann hätte man sich viel Ärger auf allen Seiten sparen können.“

Respektloser Umgang

Sommer ist sauer. Er sieht sich wie die anderen zu Unrecht bestraft. Wiegt denn all das, was vorher gewesen ist, gar nicht? Viele der betroffenen Stücklesbesitzer sind im Alter von 80 und mehr Jahren und sie leisten laut Hermann Sommer seit Jahrzehnten ihren Beitrag zum „Schwäbischen Streuobstparadies“ durch Pflege und Kosten. Die Androhung der Behörde nach Bußgeldern von mehreren Tausend Euro empfindet Sommer als „Anmaßung und bodenlose Respektlosigkeit“ gegenüber ihren jahrzehntelangen Leistungen für den Natur- und Landschaftsschutz. „Selbst die Bitte um einen begrenzten Bestandsschutz bis zum absehbaren Ableben der Alten wurde rigoros abgelehnt“, kann Sommer das Verhalten der Behörde nicht nachvollziehen.

In seinem Fall wollte er zwei Jahre Aufschub für sein Gewächshaus. Während der angelegte Garten Bestandsschutz hat, wurde ihm das Gewächshaus jedoch verwehrt. Für Sommer, inzwischen 87 Jahre, ist das Gärtnern noch das letzte Hobby, das ihm in seinem Alter geblieben ist. Er hatte die Hoffnung, dass dies mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Landratsamt zu regeln sei. Dabei hätten sie noch nie nach Fördermitteln und Unterstützung gerufen, wie das aus seiner Sicht heutzutage üblich geworden sei.

Dennoch halten sie das Landschaftsschutzgebiet in Wendlingen für eine gute Sache, nach ihren Aussagen stehen sie voll dahinter. Nur sollten „die Stücklesbesitzer rechtzeitig unterrichtet werden und nicht überfallartig vor neue Tatsachen gestellt werden“. Damit seien die Behörden gerade dabei, bei vielen Stücklesbesitzern die Pflege an der Streuobstwiese zu verderben. Das habe mitunter auch Auswirkungen auf die Nachfolger.