Weilheim · Lenningen · Umland
Bei der Ernte ist noch reichlich Luft nach oben

Obst Die Behälter für das reife Streuobst stehen bereit – nur mangelt es bisher an Inhalt. Offenbar lohnt sich das Pflücken und Aufsammeln für die Wiesenbesitzer nicht. Von Dorina Schreiber

Seit Anfang September stehen die Betreiber der Annahmestellen für Streuobst in den Startlöchern. Doch die erhoffte Flut an Äpfeln und Birnen bleibt aus. Dabei biegen sich auf einigen Wiesen die Bäume unter der Last an Früchten. Diese sollten eigentlich gesammelt, zu den Getränkeherstellern gebracht, und dort zu Saft und Most verarbeitet werden. Die lokalen Obstverarbeiter hoffen, dass der Boom noch einsetzt und zählen vor allem auf die beliebteren Äpfel, weniger auf Birnen. Michael Valet vom gleichnamigen Getränkemarkt in Wendlingen weiß nämlich: „Der schwäbische Mosttrinker stirbt aus.“

Im vergangenen Jahr fiel die Ernte extrem schlecht aus: Oft hatten die Streuobstbesitzer nur wenige Früchte auf ihren Bäumen. Oft konnte nicht einmal Saft hergestellt werden. Demnach müsste dieses Jahr eigentlich ein Erfolg werden, wie Michael Valet im Interview erläutert - die Ernte sei für gewöhnlich immer abwechselnd gut und schlecht.

Doch bisher zeichnet sich eher Enttäuschung bei den Getränkeherstellern ab. Bei der aktuellen Ernte berichtet der Experte für Obst- und Gartenbau vom Landratsamt Esslingen, Albrecht Schützinger, von starken lokalen Unterschieden. Grund hierfür sind unterschiedliche Witterungsverhältnisse im Kreis Esslingen.

Es gab zum Beispiel an manchen Orten Hagel, oder auch Frost nach den Eisheiligen, der dem Streuobst schadete. Die Trockenheit 2020 führte an vielen Stellen zu einer „Notreife“, sodass Apfelsorten, die für gewöhnlich erst im Winter reifen, schon seit Anfang September bereit zur Ernte sind. Die gute Nachricht: Bürger in der Region rund um die Teck dürfen sich auf gute Qualität freuen, wie Albrecht Schützinger erläutert.

„Wir könnten täglich das Doppelte annehmen“, meint Alexander Kiltz von der Annahmestelle in Notzingen. Er ist hauptberuflich Bauunternehmer, aber seit Jahren mit Leib und Seele bei der Sammlung von Streuobst aktiv. Die geringen Mengen, die sich momentan in seinen Containern finden, enttäuschen ihn. Am Tag nimmt die Familie Kiltz zwei bis fünf Tonnen Äpfel an. Das ist im Vergleich zu den Vorjahren gerade mal ein Viertel. Für den Streuobstfan steht fest: „Da ist noch Luft nach oben.“

Doch warum ist das so? Alexander Kiltz berichtet, dass nicht mehr viele Menschen bereit sind, das Obst auf ihren Wiesen zu sammeln. Jeder kann sich dieser Tage bei einem Spaziergang rund um Kirchheim davon überzeugen, dass es nicht an Äpfeln und Birnen mangelt. Doch das Obst fällt vom Baum und verfault auf der Wiese. Der Bauunternehmer vermutet, dass vielen die Ernte zu beschwerlich ist. Außerdem bringt das Obst nicht viel Geld ein, und so lassen viele die Äpfel lieber auf dem Baum.

Für Bäume, deren Besitzer sich nicht für die Ernte interessieren, gibt es im Landkreis Esslingen seit einem Jahr die Aktion „Gelbes Band“. Obstbäume erhalten gelbe Bänder, wenn sie von jedermann abgeerntet werden dürfen. Mit etwas Glück, wird der Sonntagsspaziergang zum Freizeitspaß für die ganze Familie: Jung und Alt können sich beim leckeren Obst bedienen. Werden die gesammelten Äpfel abgegeben, belohnen viele Sammelstellen den Aufwand mit Ermäßigung auf die nächsten Saftflaschen oder ein wenig Taschengeld.

 

Das Projekt „Gelbes Band“ wurde im vergangenen Jahr erstmals vom Landkreis Esslingen zusammen mit 37 Städten und Gemeinden ins Leben gerufen. Die Idee, nicht benötigtes Obst zur Verwertung zur Verfügung zu stellen, wurde mit dem Bundespreis „Zu gut für die Tonne“ ausgezeichnet - ein Preis gegen Lebensmittelverschwendung.