Kriminalbeamte der Spurensicherung haben am Dienstag ihre Arbeit in der Nürtinger Schafstraße aufgenommen. Am Dienstagmittag liegt in der Schafstraße noch immer der Brandgeruch in der Luft. Der Bürgersteig vor dem Gebäude mit der Hausnummer 2 ist mit kaputten Dachziegeln bedeckt. Die Brandruine wird mit einem Bauzaun abgesperrt. Davor steht eine Frau und weint bitterlich.
Am Sonntag sind hier bei einem Brand zwei Menschen ums Leben gekommen. Einen Tag später schlugen plötzlich Flammen aus dem Nachbargebäude mit der Hausnummer 4. „Unsere Wohnung grenzt direkt an die Rückseite des Hauses“, berichtet eine Augenzeugin am Dienstag. „Ich habe gesehen, wie Flammen aus dem Fenster kamen. Da habe ich nur noch mein Kind gepackt und uns in Sicherheit gebracht.“
Drei Personen wurden bei dem zweiten Brand verletzt. Erste Vermutungen legten nahe, ein Funkenflug durch das Nebengebäude könnte den Brand verursacht haben. Doch das schließt die Feuerwehr aus: „In dem Fall hätte es von außen angefangen zu brennen“, so Nürtingens Stadtbrandmeister Ralf Bader: „Gebrannt hat es aber im Inneren, im hinteren Teil des Gebäudes.“
Um die Brandursachen zu ermitteln, hat das Polizeipräsidium Reutlingen nun eine 19-köpfige Sonderermittlungsgruppe gegründet. „Beim ersten Brand gab es zwei Tote. Und einen Tag später steht das Haus nebenan in Flammen. Wir werden akribisch nach der Brandursache in beiden Fällen suchen“, so Polizeisprecher Michael Schaal. So gibt es auch zahlreiche Fragen zu den Wohnverhältnissen. „Wir müssen herausfinden, wie viele Personen dort gemeldet waren und wie viele tatsächlich dort gewohnt haben.“
Dem Vernehmen nach sollen in beiden Häusern jeweils bis zu 20 Personen untergebracht gewesen sein. Auch sollen sich die Wohnungen in einem schlechten Zustand befunden haben. Die Bewohner bestätigen das: Am Dienstagmittag harren einige von ihnen vor den ausgebrannten Häusern aus und warten darauf, hineingehen zu dürfen, um ihr Hab und Gut herauszuholen. Sie erheben schwere Vorwürfe gegen die Wohnungsverwaltung: „Es war schlimm“, sagt ein junger Mann. Die Häuser seien beide sehr alt, die Zimmer klein und in einem schlechten Zustand. „Das Haus in der Schafstraße 2 war unbewohnbar“, sagt ein anderer. Er berichtet von Kakerlaken-Befall, frei liegenden Stromleitungen und kaputten Fenstern. Für Reparaturen seien die Bewohner oft selbst verantwortlich gewesen, unter anderem habe man ihnen auch den Anschluss eines Herds in der Gemeinschaftsküche selbst überlassen. Bezahlt habe man sie für die Arbeit unter der Hand. „Außerdem waren beide Häuser total überfüllt.“ Bis zu 18 Leute hätten sich in der Schafstraße 2 ein Badezimmer teilen müssen. „In manchen Zimmern haben vier Leute auf zwölf Quadratmetern gewohnt.“ Ständig sei der Strom wegen Überlastung ausgefallen: „Wenn man 30 Leute in ein Haus für zehn Leute steckt, dann machen das die Leitungen nicht mit.“
Badezimmer als Wohnzimmer
Um noch mehr Leute reinzubekommen, sei ein Badezimmer in ein Wohnzimmer umgewandelt worden. „Da haben dann zwei Leute in einem Zimmer ohne Fenster gelebt.“ In den Mietverträgen seien falsche Angeben gemacht worden: „Aus zwölf Quadratmetern wurden dann 30 gemacht.“ Trotz des schlechten Zustandes der Gebäude seien die Mieten hoch gewesen. Bis zu 590 Euro monatlich soll eines der kleinen Zimmer gekostet haben. „Wer keine Arbeit hat, bezahlt 590 Euro. Das Geld kommt ja vom Jobcenter“, so ein Bewohner. Wie viele Leute zum Zeitpunkt des Brandes in beiden Gebäuden gewohnt haben, kann niemand von den anwesenden Bewohnern so genau sagen. Die Angaben schwanken zwischen 15 und 25.