Dettingen. Spannung pur in Dettingen: Die Besucherinnen und Besucher sind bestens gelaunt, genießen den sommerlichen Abend, freuen sich auf die mörderischen Schwestern und sparen nicht mit Applaus. Sie möchten sich fürchten, gruseln und ängstigen. Die im Büchereigarten aufgestellten Sitzgelegenheiten sind bestens gefüllt. Sechs „mörderische Schwestern“ aus der Region kommen in die Ortsbücherei Dettingen und zeigen die menschlichen Abgründe. Hierzu lesen sie aus ihren eigenen Krimis und Kurzgeschichten. Es wird aber keine „normale Lesung“, sondern ein Event. Ein Abend in „Rot und Schwarz“ – dieses Motto spiegelt sich in der Kleidung der Vorleserinnen und der gesamten Gestaltung wider.
Es startet Sally Grayson, eine amerikanische Musikerin, bekannt aus „The Voice of Germany“, die mit ihrer Gitarre und ausgeprägter, kräftiger Stimme für den genau passenden Einstieg sorgt und das weitere Programm mitbegleitet. Im Anschluss führt die Moderatorin Daniela Berg, selbst eine mörderische Schwester, durch das Programm. Immer im Wechsel: Krimilesung, Musik, Moderation – spannend und niemals langweilig. Insgesamt sind es sechs Lesungen vom Feinsten.
Die Zuschauer können die Geschichte selbst „weiterspinnen“
Jede Vorleserin liest über zehn Minuten aus ihrem Werk, dann hören die Zuschauerinnen und Zuschauer Herzschläge, erst leise, dann immer lauter und zum Schluss . . . ein Schuss. Die Lesung stoppt abrupt. So haben die Zuhörer die Möglichkeit, die Geschichte für sich „weiterzuspinnen“. Dies erzeugt wunderbare Effekte – man ist irritiert und denkt weiter.
Eine Untermalung durch die Dettinger Kirchenglocken, die genau zum richtigen Zeitpunkt läuten, hebt die Spannung ins Unermessliche an. Es wirkt, als hätten die „mörderischen Schwestern“ es in Auftrag gegeben, wie einen Mord an Ehemann, Freund, Chef oder Nachbarn. In diesem Augenblick möchte niemand der Bankerin, Grundschullehrerin, freien Lektorin – um nur einige Berufe der „mörderischen Schwestern“ zu nennen – begegnen.
„Genau, wie bei einem guten Buch, wo die ersten Seiten passen müssen, ist es bei der Lesung mit den ersten Worten“, sagt Mareike Fröhlich. Die Schwestern setzen ihre Einstiege deshalb bewusst. Sie wissen, was die Menschen fürchten, was sie gruseln und erschrecken lässt. So entstehen Gänsehautmomente, zu denen Christine Hahn in die Ortsbücherei eingeladen und Maria Häfele vom Café Luftschloss für das Catering gesorgt hat. Marcus Wellige
Die „Schwesternschaft“ besteht seit 26 Jahren
Bei den „Mörderischen Schwestern“ handelt es sich um eine Vereinigung deutschsprachiger Krimiautorinnen. Sie besteht seit 26 Jahren hat über 600 Mitglieder, davon 60 aus Baden-Württemberg. Das Ziel: Krimiautorinnen zu unterstützen und sichtbar zu machen. Regelmäßig gibt es Fortbildungen, um den Krimis eine Realitätsnähe zu geben.
„Wir sind alle unterschiedlich“, sagt Mareike Fröhlich, freie Lektorin aus Ostfildern. Die „Mörderischen Schwestern“ treffen sich regelmäßig zum Kaffeetrinken. Danach schreibt jede Autorin drei Stunden, um sich dann auszutauschen und wieder drei Stunden zu schreiben. Die Autorinnen sind realistisch: Sie wissen, dass sie vom Schreiben allein nicht leben können, und üben konventionelle Berufe aus. mw