Wieder Protest bei Accuride: Etwa 150 Mitarbeiter des Ebersbacher Felgenherstellers haben ihre Entschlossenheit bekundet, den Sozialplan nicht neu zu verhandeln und auf die vereinbarte Auszahlung der Abfindungen zu bestehen. Die hätte jetzt schon erfolgen sollen. Die Arbeitgeberseite hatte beantragt, die Auszahlung auf die zweite Jahreshälfte 2021 zu verschieben. Der US-Mutterkonzern begründet dies mit Auswirkungen der Corona-Krise. Der Betriebsrat will dieses Ansinnen aber ablehnen. Damit tritt die IG Metall auf den Plan. „Uns bleibt nur noch der Rechtsweg“, erklärte die Zweite Bevollmächtigte der Gewerkschaft im Raum Göppingen-Geislingen, Renate Gmoser. Sie will die Einhaltung des Sozialplans für ihre Mitglieder im Betrieb gerichtlich einfordern und gleichzeitig eine Mahnung an die Firma verschicken.
Die Stimmung ist grimmig. Etwa die Hälfte der einst 300 Beschäftigten, die seit 1. Juli teils schon in eine Transfergesellschaft gewechselt sind, haben sich vor den Werks- toren versammelt. Nicht zum ersten Mal. Bereits Mitte Mai demonstrierten sie gegen eine Verschiebung der Abfindungen. Mit Trillerpfeifen und Tröten unterstreichen sie die Worte des gerade ausgeschiedenen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Michael Schilling: „Vertrag ist Vertrag.“ Vor einem Jahr habe Accuride einen Sozialplan über 35 Millionen Euro unterschrieben. Davon seien 21 Millionen als Abfindungen vereinbart. „Jeder von euch weiß bestimmt, wofür er das Geld braucht“, ruft ihnen Renate Gmoser zu. Die anderen 14 Millionen fließen in die Transfergesellschaft, die die Mitarbeiter in Etappen für ein oder zwei Jahre übernimmt.
Verschieben will der US-amerikanische Konzern die Abfindungen. Das Geld für die Transfergesellschaft hat er fürs erste geleistet, sagt Schilling. Allerdings auch „mit Hängen und Würgen“. Dies sei nicht zum vereinbarten Termin geschehen, sondern mit einem Monat Verspätung. Für Schilling ist es „schlichtweg eine Schweinerei“, wie sich die Firma verhalte. „Das ist ganz schlechter Stil.“ Die Begründung mit der Corona-Krise spielt für ihn keine Rolle. Die Firma sei Verpflichtungen eingegangen, egal was danach in der Welt passiere. Maßgebend ist für den scheidenden Betriebsrat: Es habe sich die Ausgangslage für den Sozialplan rückblickend nicht verändert. Ein Sachverständiger, den der Betriebsrat eingeschaltet habe, habe die Dinge so vorgefunden, wie sie immer bekannt gewesen seien, so Renate Gmoser. „Sie wussten schon vorher, dass Ebersbach eigentlich kein Geld hat.“ Es gebe also keinen Druck, neu zu verhandeln. Und das wollen die Beschäftigten augenscheinlich auch nicht. Sie bringen schon, sofern sie Gewerkschaftsmitglieder sind, Vollmachten zur IG Metall, damit die Gewerkschaft ihre Forderungen aus dem Sozialplan für sie eingeklagt. Wer nicht in der Gewerkschaft ist, ist auf sich gestellt.
Der Betriebsrat hat sich durchaus mit der Möglichkeit von Neuverhandlungen befasst. Grundvoraussetzungen wären gewesen: dass Accuride seine Zahlungsverpflichtung umwandelt, von einer sogenannten Patronatserklärung, die der Mutterkonzern in den USA abgibt, in eine Bürgschaft einer deutschen Bank. Das wäre für den Betriebsrat und die IG Metall etwas Unumstößliches gewesen.“
Die Beschäftigten müssen also erst mal Geduld haben. Es dauere seine Zeit, bis die Klage bei Gericht angekommen sei, bis es einen Gütetermin gebe, und wie es dann weitergehe, sagt Gmoser. Die Belegschaft hat noch mal einen Zahn zugelegt, als die Werkschließung schon besiegelt war. Vom letzten Sommer an, als es den Sozialplan gab, hätten sie Sonderschichten geleistet, die es vorher nicht gab. So hätten sie ihren Part erfüllt, sagt Schilling mit Nachdruck. Reingehängt hätten sie sich. Die Firma solle ihre Verpflichtung erfüllen.