Stadtplanung
„Bestand erhalten und Verfall stoppen“

Für ihre Masterarbeit hat sich Lisa Schmidt mit dem industriegeschichtlichen Gebäudebestand auf dem Scheufelen-Areal in Oberlenningen befasst.

Lisa Schmidt im Scheufelen-Areal: Auf ihrem Modell ist das Gelände in seinem aktuellen Zustand zu sehen. Foto: Tobias Tropper

Der Abriss der ehemaligen Weberei und Spinnerei Leuze in Unterlenningen im Jahr 2019 war für Lisa Schmidt ein einschneidendes Ereignis: Wie konnte es sein, dass ein unter Denkmalschutz stehendes Gebäude abgerissen wird, fragte sich die damalige Studentin. Der Abriss bewegte die junge Frau derart, dass sie sich mit einem weiteren historisch bedeutsamen Areal in Lenningen näher beschäftigte: Sie beschloss, sich mit dem industriegeschichtlichen Gebäudebestand auf dem Scheufelen-Areal auseinanderzusetzen und die Entwicklung des Areals zum Gegenstand ihrer Masterarbeit zu machen.

Die heute 27-jährige Lisa ­Schmidt wuchs in Owen auf, verbrachte im Lenninger Tal ihre ers­ten 20 Lebensjahre und wurde noch in der Generation groß, „in der viele Eltern beim Scheufelen gearbeitet haben“. Schon als Kind und Jugendliche beeindruckte sie das Scheufelen-Areal. „Der Springbrunnen, der Verbindungsbau über die Straße und der Schornstein faszinierten mich“, sagt sie. Allerdings habe sie immer nur die Fassaden gesehen und nie hinter die Kulissen blicken dürfen.

Das jedoch sollte sich ändern: Lisa Schmidt, die Architektur und Stadtplanung studierte, trat für ihre Recherchen mit vielen Akteuren in Kontakt – zuallererst im Jahr 2020 mit den damaligen Insolvenzverwaltern. „Sie waren sehr zuvorkommend und haben mir erlaubt, das Areal zu betreten und im Archiv zu forschen“, betont Lisa Schmidt, die ihren Bachelor an der Uni Stuttgart und den Master an der TU Berlin absolvierte. Sie recherchierte intensiv, sprach auch mit Bürgermeister Michael Schlecht und Vertretern der DLE Development GmbH mit Sitz in

 

Der Springbrunnen, der Verbindungsbau über die Straße und der Schornstein faszinierten mich.

Lisa Schmidt war schon als Kind vom Scheufelen-Areal beeindruckt.

 

Berlin, die das Areal der ehemaligen Papierfabrik im Mai 2022 übernommen hatte. Wie berichtet, hat das Investmentunternehmen große Pläne mit dem 20 Hektar großen Gelände: Angedacht ist ein Mix aus Arbeiten, Wohnen und Freizeit mit mehr als 1300 zusätzlichen Einwohnerinnen und Einwohnern.

Ihre Arbeit hat Lisa Schmidt als eine Art Projektentwicklungsstudie mit drei möglichen Szenarien gestaltet. „Sie sollen aufzeigen, welche Möglichkeiten die Zukunft des Scheufelen-Areals auch für das gesamte Lenninger Tal bereithalten könnte“, erklärt sie. Für ihre Arbeit setzte sie sich viel mit der Vergangenheit auseinander: So war sie oft im Planarchiv anzutreffen, das sich auf dem Areal befand – aber auch im Wirtschaftsarchiv des Landes Baden-Württemberg in Stuttgart. „Das war sehr interessant. Je mehr ich mich damit beschäftigte, desto größer wurde die Begeisterung“, blickt sie zurück.

Das erste ihrer drei Szenarien „ist sehr bestandsnah“, beschreibt die 27-Jährige, die derzeit in Stuttgart in einem Planungsbüro tätig ist. Demnach soll möglichst viel auf dem Areal erhalten bleiben. Denkbar wäre hier ein „Campus für nachhaltige Materialien und Verpackungstechnologien“. Das zweite Szenario – „Wohnen und Arbeiten an der Lauterfuge“ – erhalte eher weniger vom Bestand und „ist den Plänen der DLE Development GmbH am ähnlichsten“. Das dritte umschreibt die 27-Jährige mit dem Titel „Vom Industrierelikt zum Biosphärenpark“; es ist angelehnt an ähnliche Parks im Ruhrgebiet, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Ihr persönlich sage das erste, bestandsnahe Szenario am besten zu, verdeutlicht sie. Auch bei ihren wirtschaftlichen Berechnungen habe dieses gut abgeschnitten.

Neben dem Erhalt der bestehenden Gebäude ist es für Lisa Schmidt essenziell, den Verfall der Denkmäler sowie der denkmalwürdigen Gebäude und historischen Maschinen zu stoppen. Denn freilich hat auch sie den Dacheinsturz im Juli auf dem Gelände mitbekommen: „Man muss dafür sorgen, dass die Gebäude in Schuss sind“, betont Schmidt. Ihr ist es außerdem ein Anliegen, mit ihrer Arbeit die Bürgerinnen und Bürger zur Diskussion anzuregen. Die Lenninger sollten in die Projektentwicklung einbezogen werden, und das Areal sollte geöffnet werden, ergänzt Schmidt.

Über das Vorhaben der DLE sagt sie: „Grundsätzlich finde ich es toll, dass es jemanden gibt, der sich der Sache annimmt, der Pläne entwickelt und auch Denkmäler und den Bestand erhalten möchte.“ Das geplante grüne Band findet sie ebenfalls ansprechend: „Dieses habe ich in allen meiner drei Szenarien auch mit drin.“ Die Renaturierung und Freilegung der Lauter seien ebenfalls wichtige Aspekte. Kritisch sieht sie aber, dass das Zeughaus höchstwahrscheinlich in Teilen abgerissen werden soll (siehe Text rechts) und dass einige weitere „erhaltenswerte Industriegebäude, die sich westlich der Lauter befinden, in den Plänen nicht mehr verortet sind“.

 

Preisgekrönte Arbeit

Lisa Schmidt hat für ihre Arbeit einen Preis gewonnen: den Immobilienforschungspreis der Gesellschaft für Immobilienforschung. Hier belegte sie den zweiten Preis in der Kategorie Masterarbeit. Diese Auszeichnung durfte sie vor acht Monaten bei der Preisverleihung in Frankfurt am Main entgegennehmen. hei