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Besuch im Märklineum in Göppingen: Begegnung mit der eigenen Kindheit

Freizeit Das Märklineum begeistert Kinder und Erwachsene gleichermaßen – mit Modellbahnen und mehr. Es präsentiert zugleich Marken- und Zeitgeschichte, und wie sich beide beeinflusst haben. Von Peter Dietrich

Dieser Ausruf ist im Märklineum wohl öfters zu hören: „Genau den hatte ich!“, ruft der Mann, der in der Vitrine den roten Schienenbus der Baureihe 795 entdeckt. Die Detaillierung des Modells 3016 entsprach der damaligen Zeit, die Fenster waren nur mit einer Milchglasfolie hinterlegt. Dafür war die Modellbahn früher fast Standard im Kinderzimmer, zumindest zu Weihnachten: Von der kleinen Dampflok mit der Bestellnummer 3000 hatte Märklin in zehn Jahren eine Million Stück verkauft. Während es die billigste Startpackung – im Jahr 1953 für 32 Mark – in viele Haushalte schaffte, waren andere Ausstellungsstücke wegen des Preises und Platzbedarfs eher für Fabrikantensöhne und -töchter geeignet, etwa das handbemalte Karussell oder die große Schwebebahn – zuerst zum Aufziehen, später mit Motor.

 

Genau den hatte ich!
Ein Besucher des Märklineums
freut sich wie viele andere auch, Modelle zu sehen, die früher mal im eigenen Kinderzimmer standen.
 

Welch einen Kontrast bildet die alte „3000“ zur großen Schlepptenderdampflok der Baureihe 01.10, die im Juli 2023 in der Fertigung ist. Ein begehrtes Stück Hightech für 600 Euro, bei dessen Endmontage und Qualitätskontrolle die Besucher des Märklineums live zusehen können, denn der Abstecher zur Endmontage gehört an Arbeitstagen zu jeder Märklineum-Führung dazu. Wer die komplette Produktion besichtigen möchte, von der Gießerei bis zum fertigen Modell, kann dies als separate Werksführung für Gruppen zubuchen.

Es gibt auch Puppenstuben und Autorennbahnen

Kein Interesse an Modellbahnen? Dann lohnt der Besuch des Märklineums trotzdem, um danach folgende Fragen beantworten zu können: Gab es von Märklin Puppenstuben? Gab es Schiffe und Zeppeline? Gab es Autorennbahnen? Gab es Noppensteine, die sehr an einen bekannten dänischen Hersteller erinnern? Die Antwort ist jedes Mal „ja“. Sehr verbreitet waren die Metallbaukästen, das aus diesen Teilen gebaute Riesenrad im Märklineum stellt schon etwas dar.

Dass die Modelle hinter Sicherheitsglas sind, ist notwendig, besonders beim Schweizer Krokodil aus Platin und Titan in der Baugröße H0, mit Rubinen als Rangierlichtern, das Märklin zum Millennium als Sammlerstück anbot. Der Preis hing vom Rohstoffpreis am Bestelldatum ab und lag damals bei etwa 65.000 bis 68.000 Mark.

Neben handfestem Anschauungsmaterial bietet das Märklineum viel digitale Technik, bis hin zum Lokführerstand mit VR-Brille. Wie das alte Pferderennspiel und das Roulette mit Dampflok funktionierten, zeigt eine Videosimulation. Weitere Videos führen durch die politische Zeitgeschichte – natürlich nach Modellbahnepoche I bis VI gegliedert.

Videosimulation und Gartenanlage

„Wat is en Dampfmaschin?“: Wer die Erklärung, die Professor Bömmel in der „Feuerzangenbowle“ bot, nicht so befriedigend fand, sollte sich die Videosimulation ansehen, die drei Antriebsarten anschaulich macht: Uhrwerk, Dampf und elektrisch. Auf jedem Stockwerk gibt es Spielecken für Kinder, dazu Sitzecken für die Erwachsenen. Das Märklineum ist nicht nur etwas für Regentage, bei schönem Wetter machen die Gartenbahn und die Originaldampflok der Baureihe 44 im Freien mehr Spaß.

Zum Märklineum gehört eine sehr schön gestaltete Modellbahnanlage mit 160 Quadratmetern Fläche, auf der ständig etwa 20 bis 30 Züge unterwegs sind, inklusive Nachtbetrieb und Gewittersimulation. Die Landschaft ist regional inspiriert, von den Stuttgarter Halbhöhenlagen bis zu Weinbergen und dem Blautopf.

Wann das Märklineum besuchen?

Ein Besuch ist täglich außer Montag auf mehrere Weisen möglich: mit einer vorab angemeldeten Gruppe, mit einer offenen Führung am Donnerstagnachmittag oder ganz individuell mit oder ohne Audioguide. Eine Führung vermittelt einen guten ersten Eindruck, wer alles in Ruhe betrachten will, braucht einige Stunden mehr. Die Eintrittskarte ist eine Tageskarte: So können Besucher eine Pause im Bistro machen und dann ins Märklineum zurückkehren. Zum Märklineum gehört ein frei zugänglicher Verkauf für Modellbahnartikel verschiedener Hersteller, der einem Lokschuppen nachempfunden ist, mit Fund- statt Arbeitsgrube.

Alle Informationen und Eintrittspreise sind unter www.maerklineum.de zu finden, Infos zur Internationalen Modellbahnausstellung und den Märklin-Tagen vom 15. bis 17. September unter www.maerklin.de. Auch an diesen Tagen ist der Besuch des Märklineums möglich. Der Andrang ist aber groß, der Besuch auf zwei Stunden limitiert. Andere Tage sind deshalb wohl besser geeignet.

 

Schwere Zeiten: Krieg, Diebstahl und Insolvenz

Auch die Krisen verschweigt das Märklineum nicht. Im Zweiten Weltkrieg war die Spielwarenherstellung stark beschränkt, die Lager waren fast leer. Märklin musste Komponenten für Fernmeldeanlagen, Fahrzeuge und Waffen liefern. Das Göppinger Werk blieb von Bomben verschont, konnte nach Kriegsende bald wieder produzieren. Im Januar 2005 stahlen Diebe aus dem damaligen Märklin-Museum 184 Exponate, darunter die erste Lok „Storchenbein“. Als die Diebe eine größere Sammlung anboten, griff Interpol in Deutschland, Österreich und Italien zu. Alle Stücke kehrten zurück, aber teils zerbeult und zerkratzt. Der Schaden betrug 350 000 Euro, aber Märklin hatte seine Geschichte zurück. Wie viele andere Modellbahnhersteller ging auch Märklin in die Insolvenz. Das Aufatmen kam im März 2013: Märklin wurde von der Simba Dickie Group aus Fürth übernommen.