Nach der coronabedingten Zwangspause sind seit Ende März in der Galerie Albmaler im Alten Lager Münsingen Werke von Herrmann Julius Kornbeck (1839 bis 1920) zu sehen. „Wir sind froh, dass es endlich weitergeht“, sagt Inhaber Martin Rath, Inhaber. „Es ist fast das Beste, was wir bisher gezeigt haben“, betont er. In einer zweiten Ausstellung erstaunen Bilder des zeitgenössischen Malers Andreas Jauss mit ihrem Fotorealismus.
65 Werke von Kornbeck, der 1839 in Winnenden geboren wurde und 1920 in Oberensingen verstarb, öffnen ein Fenster in die vorindustrielle Zeit. Blühende Bäume, Mühlen im Wald, Ernteszenen – das alles lässt eine Welt jenseits immer schneller drehender Entwicklungen wiederauferstehen. Mägde mit Kopftuch und Schürzen schauen im Stall nach den Tieren oder warten mit Ruhe auf ihre Kühe, die am Bach trinken. In den Neckarauen wird Wäsche gewaschen, ein Schäfer kehrt mit seiner Herde abends nach Hause zurück. Gemälde vom Hohenneuffen, besucht von Damen in langen Kleidern, oder eine Ortsansicht von Nürtingen erscheinen geradezu als Zeitzeugnis. Nirgendwo qualmt ein Schornstein, der Ort liegt eingebettet in eine unberührte Natur.
Auch vom Wasser war Julius Kornbeck fasziniert. Es fällt in Kaskaden aus einem Stauteich herab, treibt Mühlen an oder ruht als stilles, schimmerndes Gewässer, in dem sich die Bäume am Ufer spiegeln. Darüber ein Angler mit Strohhut. Ein einfacher Zaun aus Ästen, eine Steinbrücke – Kornbeck hatte den Blick für Details, die bis heute gefallen. Dunkle Wolken und ein heller Horizont sorgen für Dramatik, flirrende Hitze auf Kornfeldern ist geradezu fühlbar.
Geboren in die Familie eines Hofkammerverwalters, konnte Kornbeck in Stuttgart Architektur studieren und arbeitete dann im Büro des Oberbaurats Georg von Morlock. 1864 folgte er seiner Neigung und studierte an der Kunstschule Stuttgart, in München und Düsseldorf. „Er arbeitete gerne plein air und stellte seine Motive häufig mehrfach in verschiedenen Wetterverhältnissen und Jahreszeiten dar“, erläutert Martin Rath. Seit 1867 war Kornbeck deutschlandweit in vielen großen Ausstellungen vertreten. „Bei uns ist er jedoch eher unbekannt, aber solche Künstler ans Licht zu holen, ist ja das Anliegen der Galerie.“ Im Mai stellt die Archivarin von Winnenden Kornbeck vor.
1960 in Sindelfingen geboren, studierte Andreas Jauss Malerei und Grafik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. 2011 nahm sein Leben mit dem Theologie-Studium eine Wende. 2017 erfolgte die Weihe zum Priester, seit 2019 ist Jauss als Vikar in Nagold tätig.
Man muss nah an seine Acrylwerke herantreten, um zu verifizieren, dass sie nicht fotografiert, sondern gemalt sind. Gas-Tanks oder Reihenhäuser, Meereswellen, eine Unterführung, das Innere einer gotischen Kirche entstanden fotorealistisch. Eine zweite Bildgruppe, die Palmen und die typische Architektur des Südens in warmem Licht zeigen, entführen in Urlaubsträume. Müllcontainer am Strand oder ein Hinterhof werden zum Motiv aufgewertet.
Beim Blick durch strukturierte Glasflächen auf grüne Hügel oder Wolkenkratzerdächer dominiert die Grafik. Doch über allem liegt eine unzugängliche Verlorenheit, ein Rückzug ins eigene Innerste des Künstlers, wo sich die Erfahrungen des Unterbewusstseins mit der sichtbaren Wirklichkeit verbinden und neue Wahrheiten generieren. Der Betrachter assoziiert die surrealistischen Werke von Frida Kahlo, Salvador Dalí oder René Magritte.