Wie sich die Armut bekämpfen lässt, wollte der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Kenner im Vorfeld der Wahl von einem Expertengremium wissen. Der Titel der Online-Konferenz klang nicht gerade optimistisch: „Einmal arm - immer arm“. Im Gespräch wurde immerhin aufgezeigt, an welchen Stellschrauben zu drehen wäre, um Menschen die Chance zu geben, der Armut entfliehen zu können. Am vorhandenen Geld allein kann es nicht liegen, denn gleich zu Beginn stellte Andreas Kenner fest: „Wir hatten jetzt gerade eine Hochkonjunkturphase. Und trotzdem herrscht eine große soziale Ungleichheit.“
Roland Saurer, Sprecher der Landesarmutskonferenz, sprach von einem Teufelskreis der Armut, bei dem es fast keine Möglichkeit gebe, ihm zu entkommen: „Meistens heißt einmal arm deswegen tatsächlich immer arm.“ Das gelte selbst für die Organisation, die er vertritt: „Wir haben kein eigenes Büro, außer dass ich mein Haus dafür zur Verfügung stelle. Und um unser Jahresbudget von 18 000 bis 20 000 Euro müssen wir betteln.“ Er fordert unter anderem ein günstiges Baden-Württemberg-Ticket, um das „Grundrecht auf Mobilität“ zu gewährleisten. Außerdem wäre es an der Zeit, die aufsuchende Sozialarbeit zu unterstützen: „Warum macht man das nur in der Drogenarbeit?“
Auch Wohnen ist ein Grundrecht
Als weiteres Grundrecht wurde das Recht auf Wohnen angesprochen. „Es wird immer schwieriger, im Landkreis Esslingen bezahlbaren Wohnraum zu finden“, sagte Eberhard Haußmann, der Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands. „Der Markt hat das eben nicht geregelt - außer dass sich die Preise nach oben entwickelt haben.“ Als Beispiel nannte Eberhard Haußmann Quadratmeterpreise von 3500 Euro in Kirchheim sowie Tiefgaragenstellplätze, die 38 000 Euro kosten.
Als „wirksamen Hebel“ gegen Armut nannte Heiner Heizmann vom Diözesan-Caritasverband „Bildung, Ausbildung und Qualifikation“. Wesentliche Kompetenzunterschiede zeichneten sich - je nach sozialer Herkunft - bereits in der Grundschule ab: „Nach der Grundschule sind zwar alle Kinder besser geworden, aber diese Unterschiede sind nicht kleiner geworden.“ Von der Landespolitik erwartet Heiner Heizmann deswegen, dass sie die Schnittstellen zwischen Sozial- und Kultusministerium „besser managt“.
Zu den Zahlen, die belegen, dass künftige Hochschulabsolventen besonders häufig aus Akademikerfamilien hervorgehen, meinte Andreas Kenner pragmatisch: „Aus einer Handwerkerfamilie zu stammen und im Handwerksbetrieb weiterzuarbeiten, ist genauso gut. Und wenn mein Auto mal nicht anspringt, hilft mir ein Mechaniker in der Nachbarschaft mehr als drei Professoren.“
Unabhängig vom höchsten Bildungsabschluss eines Einzelnen war sich die Runde aber einig, dass auch der fehlende Zugang zu Geräten und zum Internet die Armut verschärfen kann. Ausgrenzung und fehlende Teilhabe gibt es eben auch in der digitalen Welt. Außer der Internetverbindung und dem Tablet brauche es für schulischen Erfolg - gerade in der Lockdown-Zeit - zusätzlich noch einen Drucker, samt Papier und Toner.
Ein ganz anderes Problem warf in diesem Zusammenhang Heiner Heizmann auf: „Die digitalen Fähigkeiten, die heutige Kinder später in ihrem Arbeitsleben brauchen, vermittelt weder die Schule noch die Berufsschule.“