Zwischen Neckar und Alb
„Billigflieger sind der pure Wahnsinn“

Flughafen Als Vorsitzender der Bürgerinitiative fordert Steffen Siegel eine Reduzierung des Flugverkehrs – Es ist ein Kampf gegen den Flächenfraß und die Zerstörung fruchtbarer Böden. Von Elisabeth Maier

Gegen Flächenfraß und die geplante Angebotserweiterung des Flughafens kämpft die Schutzgemeinschaft Filder seit mehr als 50 Jahren. Ihr Vorsitzender Steffen Siegel fordert, das Fliegen zu reduzieren - auch, um Gesundheitsrisiken einzudämmen. Gegen den Abschnitt 1.3a klagt die Initiative vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim.

Die Schutzgemeinschaft Filder ist vergangenes Jahr 50 geworden - einzigartig für eine Bürgerinitiative. Vieles haben Sie erreicht, anderes - wie das Projekt Stuttgart 21 - wird trotz Ihrer Widerstände gebaut. Was sind Ihre wichtigsten Themen?

Steffen Siegel: Am Flughafen sind Fluglärm, steigende Passagierzahlen, Billigflieger und Abgase Themen. Für Messen und Flughafen sind 4 100 neue Parkplätze geplant. Auch die Pläne für eine neue Messehalle kritisieren wir. Neben der Klimaproblematik ist der Flächenfraß ein großes Thema, alle Gemeinden dehnen sich auf besten Ackerböden aus. Auch wenn wir Stuttgart 21 nicht verhindern konnten, weisen wir auf Schwachpunkte des Projekts hin und machen gegen die Pläne auf den Fildern und die Beeinträchtigung der S-Bahn mobil.

Apropos S-Bahn: Im Moment werden die Pläne, einen Ringschluss vom Neckartal auf die Filder über die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm zu führen, diskutiert.

Siegel: Einen S-Bahn-Ringschluss fordern wir schon lange und haben dazu hervorragende Pläne ausgearbeitet. Was nun aber geplant ist, ist Unsinn. Zum einen ist auf der Neubaustrecke kaum mehr Kapazität zwischen den durchrasenden Zügen frei. Deshalb ist maximal ein 30-Minuten-Takt möglich und auch nur, wenn die Zahl der Züge aus Ulm und aus Tübingen niemals zunehmen sollte. Und zweitens macht eine S-Bahn nur Sinn, wenn die Ortschaften angeschlossen würden, und nicht, wenn man auf einer Schnellbahntrasse an allen vorbeifährt. Wir sagen, ein S-Bahn-Ring macht nur Sinn, wenn dadurch Autofahrer auf die S-Bahn umsteigen. Dann dürfen aber auch nicht gleichzeitig weitere Straßen gebaut werden.

Flächenfraß ist ein großes Thema. Ackerböden für die Landwirte fallen weg. Wie steht die Schutzgemeinschaft dazu?

Siegel: Das ist mit das Dramatischste für unsere Heimat. Ein zerstörter Boden, der über Tausende von Jahren entstanden ist, ist nie wieder zurückzuholen. Es gibt kein Bodenschutzgesetz, um das zu verhindern. Unser Ziel ist es, auf Kommunen einzuwirken. Derzeit kann jede Kommune relativ frei bestimmen, wo sie Baugebiete ausweist. Kommunen wollen neues Gewerbe und neue Einwohner bekommen, denn das bringt Steuereinnahmen. Wenn Sie mehr Einwohner haben, brauchen sie aber auch mehr Schulen, eine bessere Infrastruktur und mehr Straßen. Das kostet noch mehr Geld. Das holen sie sich durch mehr Steuern. Diese Teufelsspirale muss gestoppt werden. Wir fordern, dass Böden der weltweit höchsten Qualität, wie wir sie haben, für Zerstörung tabu sein müssen.

Der Flughafen baut sein Nachhaltigkeitskonzept aus. Ziele des Klimaschutzes haben hohen Stellenwert. Andererseits steigen die Fluggastzahlen. Müsste der Flughafen seine Rolle anders definieren?

Siegel: Der Flughafen muss seine Rolle zweifellos anders definieren. Das ist mit Blick auf den Klimawandel dringend nötig, der ja jedem klar ist - außer US-Präsident Donald Trump. Der Flughafen tut alles, um seinen Betrieb zu pushen. So ist bei einer Angebotserweiterung durch „Laudamotion“ mit einem Passagierzuwachs von bis zu sechs Prozent zu rechnen, mit furchtbaren Folgen für die Bevölkerung, die Böden und das Klima. Allein mit Projekten wie Pfandflaschensammeln und Energiemanagement ist es nicht getan, so gut das klingt.

Kurzstreckenflüge sind umstritten. Ein Abgeordneter aus Basel hat gefordert, darauf zu verzichten.

Siegel: Das ist eine radikale Forderung angesichts des Zustands unseres Globus, aber dringend erforderlich. Man sollte das Fliegen reduzieren und nicht noch mit Spottpreisen Reklame machen. Da muss die Politik gegensteuern. Fliegen ist die klimaschädlichste Art, sich fortzubewegen. Billigflieger sind der pure Wahnsinn. Der innerdeutsche Flugverkehr müsste weitgehend unterbunden werden. Mit der Bahn gibt es ja auf vielen Strecken eine bessere Möglichkeit. Und eine drastische Kerosinsteuer - statt Flugbenzin zu subventionieren - ist überfällig.

Wie stehen Sie zu den Entwicklungsplänen des Flughafens?

Siegel: Uns ist es ein Anliegen, dass rund um Flughafen und Messe nicht alles zugebaut wird. Der Flächenfraß ist immens. Da wird von einer Airport-City geredet. Und der Flughafen allein kündigt an, 2 500 neue Parkplätze zu brauchen. Insgesamt sollen es 4 100 werden, weil die Messe angeblich auch weiteren Bedarf hat. Diese Plätze werden gebraucht, weil in den nächsten Jahren drei bis vier Millionen mehr Passagiere anvisiert werden. Das widerspricht Beteuerungen, dass durch den Filderbahnhof und die Verlängerung der U 6 zum Flughafen der Individualverkehr abgebaut werde. Durch Stuttgart 21 wird noch mehr geflogen und hemmungslos das Klima ruiniert.

Die Feinstaubproblematik ist in aller Munde. Was trägt denn der Flughafen dazu bei?

Siegel: Ich sehe da beträchtliche Gefahren, noch mehr durch sogenannten Ultra-Feinstaub. Die Gefährdung durch moderne Flugzeuge mit neuen Verbrennungssystemen ist nicht zu unterschätzen. Da kommen immer feinere Partikel raus, die so fein sind, dass sie - anders als beim Feinstaub - nicht mehr in der Lunge aufgehalten werden, sondern direkt ins Blut und in alle Organe übergehen können, sogar ins Gehirn. Ultra-Feinstaub ist ein heikles Thema, da sind wir dran. Eigentlich wäre es Aufgabe der Politik und des Flughafens, Risiken zu erforschen. Ein Messgerät für Ultrafeinstaub würde mehr als 10 000 Euro kosten, aber das übersteigt unsere Möglichkeiten.

Ihre Initiative hat gegen den Abschnitt 1.3a des Projekts Stuttgart 21 auf den Fildern eine Klage angestrengt, die vor dem Verwaltungsgerichtshof verhandelt wird. Wogegen richtet sich Ihre Klage?

Siegel: Das Problem ist, dass viele Fragen beim Filderabschnitt 1.3 noch nicht geklärt sind. Deshalb wurde das auch nicht genehmigt. Da ging es etwa um die Mischverkehre von Gäubahn und S-Bahnen durch Leinfelden Echterdingen, die so nicht machbar sind. Nun hat die Bahn aus unserer Sicht einen Trick angewendet und die Abschnitte in a und b getrennt. Den Abschnitt a von Wendlingen zum Fasanenhof und zum Bahnhof unter der Messe haben sie im Handstreich und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit planfestgestellt. Wir klagen dagegen, weil man den Abschnitt nicht in zwei Teile aufteilen darf, wenn die Bereiche voneinander abhängig sind.

Wenn der Abschnitt a fertig wäre, könnte die Bahn auf der Neubaustrecke entlang der Autobahn nach Stuttgart vorbeifahren. Der Teil b, das ist der Abschnitt von Rohr zum Flughafen, soll einige Jahre später kommen. Bis dahin müssten Züge von Zürich in Vaihingen Endstation machen. Die Filderpläne sind bisher ein unausgegorener Murks.