Wahl
Bissingen braucht Neuwahlen

Siegfried Nägele hat am Sonntagabend bekannt gegeben, seine überraschende Wahl zum Bürgermeister nicht anzunehmen. Rund 600 Menschen verfolgten seine Erklärung in der Gemeindehalle. 

Keine leichte Entscheidung: Siegfried Nägele (Zweiter von links) nimmt die Wahl zum Bissinger Bürgermeister nicht an. Foto: Markus Brändli

In die Bissinger Gemeindehalle strömten am Sonntagabend immer mehr Menschen. Siegfried Nägele, der eine Woche zuvor bei der Bürgermeisterwahl ohne zu kandidieren mit einer absoluten Mehrheit von 50,5 Prozent gewählt wurde, hatte die Bürgerschaft eingeladen, um seine Entscheidung bekannt zu geben. Die Spannung im mit rund 600 Interessierten voll besetzten Saal war greifbar. Das Ergebnis: Er wird die Wahl zum Bürgermeister nicht annehmen. Der 61-Jährige hatte sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, für die er sich nach dem überraschenden Ergebnis eine Woche Bedenkzeit erbeten hatte. Das wurde bei seiner Ansprache deutlich.

Acht Jahre Amtszeit zu lang

„In deiner Haut will ich nicht stecken“, diesen Satz habe er in den vergangenen Tagen oft gehört, sagt Nägele. Die letzte Woche sei schon anstrengend gewesen. Natürlich gebe es Schlimmeres, wie Krankheit oder Naturkatastrophen, fügt er hinzu, „wobei eine kleine Naturkatastrophe Bissingen schon ereilt hat: Marcel Musolf ist Landrat geworden“, ergänzt er mit einem Augenzwinkern. So wurde die Wahl notwendig und nahm die sehr besondere Wendung, als die beiden regulären Kandidaten die Bissinger Bürgerschaft bei ihrer Vorstellung nicht überzeugen konnten. Er habe nach dem Wahlausgang die vergangene Woche gebraucht, „um die vernünftigste Entscheidung für die Gemeinde, meine Familie und mich zu treffen“, sagt Nägele. 

Mit allen relevanten Stellen, seinem Arbeitgeber Forst BW, für den er seit 43 Jahren tätig und einer von fünf Fachbereichsleitern mit 35 Mitarbeitenden ist, dem Esslinger Landratsamt, der Kommunalaufsicht und natürlich der Familie habe er intensive Gespräche geführt und die Möglichkeiten ausgelotet: „Ich kenne die Gemeindeordnung und das Kommunalwahlrecht nun inklusive der Kommentare auswendig.“ Der spezielle Fall sei bis zum Innenministerium vorgedrungen und beraten worden. 

Rappelvoll war die Bissinger Gemeindehalle bei der Bekanntgabe Siegfried Nägeles, ob er seine Wahl zum Bürgermeister annimmt. Foto: Markus Brändli

Entscheidung nicht leicht gemacht

Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, betont Siegfried Nägele, „leicht wäre es, einfach die Wahl anzunehmen.“ Gerade bei dem „riesigen Vertrauen und den vielen positiven Rückmeldungen“, die ihn seitens der Wählerschaft erreicht hatten und auch sichtlich bewegten. „Schwieriger ist es, die Wahl nicht anzunehmen. Meine Verantwortung sehe ich für mich und alle Beteiligten, und damit besonders auch im Sinne der Gemeinde, darin, dass eine Neuwahl der sinnvollste Weg für die Weiterentwicklung Bissingens ist“, erklärt der 61-Jährige. Das Kommunalwahlrecht lasse keine halben Lösungen wie eine verkürzte Amtszeit zu „und das ist auch gut so.“ Die vollen acht Jahre, die eine Amtsperiode mit sich bringe, „kann und will ich nicht machen. Wäre ich zehn oder zwanzig Jahre jünger wäre das vielleicht anders“, so Nägele. Seine Familie stehe aber an erster Stelle und schon jetzt sei es in seiner aktuellen beruflichen Situation, gepaart mit den zahlreichen sonstigen Posten – ob etwa als Gemeinderat oder auch bei der Verbandsarbeit im Bauernverband – oft eine Herausforderung. „Ich möchte meine Mitarbeitenden nicht Knall auf Fall stehen lassen. Und meine Partnerschaft steht für mich im Mittelpunkt“, erklärt Siegfried Nägele seine Entscheidung und bekommt dafür großen Applaus. Für die Gemeinde wolle er sich weiter als Gemeinderat mit großer Motivation einbringen. 

Im Publikum gab es viel Verständnis und Respekt für seine Entscheidung und die Begründungen dafür. Schade finden es dennoch einige. Der Gemeinde bleiben nun drei Monate, bis Neuwahlen notwendig werden. Durch die Weihnachtszeit und den Jahreswechsel bestenfalls ein wenig mehr.