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Bissingens neuer Pfarrer: Ein wenig Wehmut und viel Vorfreude

Kirche Den Seelsorger der Versöhnungskirche in der Nürtinger Braike zieht es an den Fuß der Alb nach Bissingen. Pfarrer ­Markus Frank sieht die Kirche als Ort, wo sich alle Menschen ernst genommen fühlen. Von Uwe Gottwald

Die Zeit verging wie im Flug“, stellt Pfarrer Markus Frank fest. An seinem 30. Geburtstag sei er auf gepackten Koffern gesessen, womit seine Zeit als Gemeindepfarrer an der Versöhnungskirche im Nürtinger Stadtteil Braike begann. Nun, 16 Jahre später, heißt es Abschied nehmen. In Bissingen wird er eine neue Stelle als Gemeindepfarrer antreten, zu der auch die Gemeinden Nabern und Ochsenwang gehören.

Nürtingen war die erste feste Pfarrstelle für Frank. Als Stichwort auf die Frage, was ihn an dem 3600-Einwohner-Ort reize, nennt Frank den Zusammenhalt, von dem solche ländlichen Gemeinden noch stark geprägt seien. Nicht weit von Bissingen, in Holzmaden, aufgewachsen, kennt Frank das dörfliche Leben und die Region.

Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist für Frank denn auch „ein großes aktuelles Thema“. So war es ihm von Beginn an ein Anliegen, als Vertreter der kirchlichen Gemeinde auch in die bürgerliche Gemeinschaft hinein zu wirken. Als Pfarrer an der Versöhnungskirche war er von Beginn an gleichzeitig Jugendpfarrer der Stadtkirchengemeinde und bald auch des Kirchenbezirks.

Es war ihm stets ein Anliegen, die Kirche für junge Menschen als einen Ort zu präsentieren, an dem ihre Anliegen ernst genommen werden. Zu aktuellen Prozessen sagt er denn auch: „Wir sollten junge Menschen nicht maßregeln, wenn sie sich um die Zukunft des Planeten sorgen.“ Dass für junge Leute räumliche und personelle Ressourcen zur Verfügung stehen, dafür setzte er sich in seiner Mitarbeit in Gremien ein. So seien ab dem Herbst wieder drei Jugendreferenten am Start, freut er sich. Mit Blick auf junge Menschen ist Frank wichtig: „Sie sollten die Erfahrung machen, dass es noch mehr Lohnenswertes gibt als nur Leistung.“

Der Pfarrer zeigt sich offen

Dass Kirche auf alles Antworten geben könne, hält er für einen überkommenen Anspruch. Lieber macht sich Frank gemeinsam mit anderen auf die Suche nach Antworten. Dafür bemühte er sich immer wieder um Begegnungen und Kooperationen mit Initiativen und Institutionen in Nürtingen. So tat sich seine Kirchengemeinde mit der Stadtteilinitiative „Braike aktiv“ zusammen, gemeinsam wurde ein Stadtteilfest aus der Taufe gehoben. Ein Projekt initiierte er selbst: Das Open Air-Kino erfreute sich großer Beliebtheit, wurde von Corona ausgebremst, doch soll es laut Frank nun in etwas kleinerer Form mit einem engagierten Team wieder an den Start gehen.

Frank verweist auf weitere nachbarschaftliche Projekte. Für ihn stehen sie dafür, gegenseitiges Interesse zu wecken, sich zu vernetzen und Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen, aber auch in einer sich differenzierenden Welt Gewissheiten zu bilden und möglichst niemanden einsam zurückzulassen. Dankbar ist Frank für das große Engagement von Ehrenamtlichen, von denen diese Projekte mit Leben erfüllt werden.

Dafür kam die Sanierung und der Umbau des Gemeindezentrums gerade zur rechten Zeit, ein Meilenstein in der Ära des Pfarrers. Über die neuen Räumlichkeiten und eine moderne Küche freuen sich die Kinder, Jugendlichen und Betreuungsteams der Ferienlager im Sommer. Der Kirchenraum erhielt eine flexibel nutzbare Einrichtung und eine moderne Technik. Beides bietet die Möglichkeit für neue, auch multimediale Formen des Gottesdienstes.

Für Frank ist es aber auch wichtig, mit der Kirche nach außen zu gehen. Ein Projekt dafür zimmerte sich der Hobby-Handwerker selbst zusammen: die Moka, die Mobile Kapelle. Ein umgebauter Bauwagen wurde zum Begegnungsraum, mit dem er und Jugendreferentinnen und -referenten vor allem an Schulen präsent sind. „Da hatte ich viele schöne Erlebnisse“, erinnert sich Frank.

Ein Anliegen war Frank zudem die Mitarbeit in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen, wobei ihm dabei wichtig ist: „Wir sollten uns nicht so sehr an den Unterschieden abarbeiten, sondern die jeweiligen Stärken hervorheben und versuchen, davon zu profitieren.“

Sein Engagement als Stadtrat entsprach Franks Selbstverständnis, Gesellschaft mitzugestalten. Auch dabei waren dem verheirateten Familienvater von drei Kindern im Alter zwischen neun und 14 Jahren die Interessen der Jugendlichen wichtig. Ebenfalls galt sein Augenmerk besonders sozialen Fragen, die er bestimmt vertrat. Wenn es dann etwas hitziger wurde, schimmerte schon mal der Pfarrer durch, der moderate Töne anschlug und nach Kompromissen suchte. Doch nicht nur das Tun, auch dem Innehalten misst er einen hohen Stellenwert bei. So war er Mitinitiator der jüngsten Friedensgebete auf dem Nürtinger Schillerplatz. „Man kommt zu sich und schöpft im gemeinsamen Vertrauen neue Kraft“, so Frank.

„Alles hat seine Zeit, in meinem Alter stellen sich auch andere die Frage, ob man nicht nochmals etwas Neues beginnen sollte“, sagt der 46-Jährige zu seinen Abschiedsplänen. Und für Kirchengemeinden sei es sicher nicht von Nachteil, wenn ab und an jemand von außen mit einem neuen Blick komme. Dass die Stelle wieder besetzt wird, bestätigt Dekanin Christiane Kohler-Weiß, auch wenn es eine Vakanz von einigen Monaten geben könne. Der Abschiedsgottesdienst findet am Sonntag, 2. Juli, um 10.30 Uhr in der Versöhnungskirche statt. Bei einem Mittagessen ab 12.15 Uhr könnte dann so manche Abschiedsträne fließen.