Jubiläum
Bissinger Orgelfestival bringt alte Orgel zum Klingen

Zwei Organisten und barocke Meisterwerke begeisterten die Besucher bei zwei Konzerten.

Bissingen. Zwei Konzerte innerhalb einer Woche und ein Festgottesdienst – das ist mehr als ungewöhnlich. Der Anlass jedoch war es wert. Vor genau 201 Jahren, am ersten Advent 1824, wurde die Orgel des Bissinger Meisters Johann Victor Gruol eingeweiht.

Jubiläumsorgel in voller Pracht

Wo andere Instrumente dieser Zeit, wie etwa in Ochsenwang, nicht überlebten, wurde das schöne Instrument in Bissingen stets hochgeachtet und gepflegt, sodass es heute noch so frisch erklingt wie am ersten Tag. Das war schon beim ersten Konzert zu hören, als Bezirkskantor Ralf Sach ein Tableau von schönster Orgelmusik vom Barock bis zur Gegenwart entfaltete. So ließ er es sich nicht nehmen, der Jubiläumsorgel eine glänzende Reverenz zu erweisen.

Das eigentliche Jubiläumskonzert am Vorabend des ersten Advents hatte es da etwas schwerer: Angesichts des fast überfüllten Jubiläumsgottesdienstes am nächsten Morgen waren am Abend zuvor nur die hartgesottensten Orgelfreunde zugegen. Die aber erlebten eine wahre Sternstunde. Noch nie in der Geschichte Bissingens sei die Orgel der Gemeinde so souverän zum Klingen gebracht worden, bekannte Pfarrer Frank in seinen Dankesworten und sprach dabei allen aus dem Herzen.

Der Orgelprofessor Jens Wollenschläger, ein international gefragter Virtuose, zauberte mit atemberaubender Geschicklichkeit die betörendsten Klänge aus den alten Pfeifen. Ausgerechnet das ruhigste Stück sorgte für die magischen Momente. Friedrich Silchers „Poco Adagio“ entsprach genau dem Orgelspiel, wie es vor 200 Jahren üblich war. Dazu passend wurde der Gebläsemotor ausgeschaltet. Wie in alter Zeit stieg ein Kalkant in die rekonstruierten Sielen und sorgte mit Muskelkraft für den Orgelwind. Unvergesslich, wie die Pfeifen hörbar mitatmeten. Für wenige Minuten war sie greifbar zu spüren, die alte Zeit – unvergesslich! Mit Jörg Tobias war auch ein gelernter Orgelbauer an den Blasebälgen.

Wind- und kräfteraubend ging es weiter mit Mendelssohn und dem Bachschüler Johann Ludwig Krebs – allerdings vor dem Hintergrund einer Alterskomposition des religiös abgedrifteten Franz Liszt. Als Geistlicher mit den niederen Weihen suchte er die einfachste Simplizität. Diese wirkt nur in riesigen Kathedralen, weniger jedoch in einer großen Dorfkirche. Zum Glück wurde dieser schöne Schein gänzlich hinweggefegt vom orgelbegleiteten Weihnachtslied „Lobt Gott ihr Christen alle gleich“.

Abschiedskonzert von Leuze

In hellen Scharen kamen die Bissinger, und nicht nur sie, zum Adventsgottesdienst am nächsten Morgen. Dort spielte der Mitini­tiator des Orgelfestivals, Ernst Leuze, zum letzten Male in einem Gottesdienst.