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„Blauer Wasserstoff hilft dem Klima nicht“

Diskussion In einem Interview warnt Greenpeace-Energieexpertin Mira Jäger vor dem Import von Wasserstoff.

Frau Jäger, ist grüner Wasserstoff ein Hoffnungsträger für die Energieproduktion und werden wir in Zukunft auch unsere Wohnungen damit beheizen ?

Mira Jäger Grüner Wasserstoff kann in Zukunft ein Baustein sein für wenige ausgewählte Bereiche, bei denen es wirklich keine Alternative gibt. Wo immer möglich, müssen Prozesse jedoch elektrifiziert werden, mit Strom aus erneuerbaren Quellen – denn die Herstellung von grünem Wasserstoff verbraucht viel Energie und ist teuer. Grüner Wasserstoff wird auch in Zukunft rar und kostbar bleiben – ein Nischenprodukt.

Für die Produktion von Wasserstoff, beispielsweise in Spanien, benötigt man eine Menge Süßwasser.

Jäger Da die Süßwasserreserven von Spanien oder von Ländern im Nahen Osten sehr begrenzt sind, soll Meerwasser entsalzt werden. Ist das unproblematisch?

Ein Problem ist, dass bei der Gewinnung von Süßwasser aus Salzwasser eine extrem salzhaltige Lauge als Abfallprodukt entsteht, die zudem noch Chemikalien und Schwermetalle enthält.

Derzeit gibt es leider noch keine internationalen Standards, wie mit diesem giftigen Abwasser umgegangen werden muss. Wird es einfach zurück ins Meer gepumpt – wie es in vielen Teilen der Welt gemacht wird – gefährdet dies das empfindliche Gleichgewicht des Ökosystems. Die Einleitung der Lauge kann in der Umgebung zu Sauerstoffmangel führen und das Salz vor allem Kleinstlebewesen wie Plankton Wasser entziehen – das kann sich auf die gesamte Nahrungskette auswirken.

Kann man diesen Wasserstoff noch als umweltfreundlich bezeichnen?

Wasserstoff sollte nur aus erneuerbaren Energien und möglichst regional hergestellt werden. Der Import von Wasserstoff sollte auf ein Minimum begrenzt und an strenge ökologische und soziale Kriterien gekoppelt sein.

Was ist, wenn, zumindest übergangsweise blauer Wasserstoff mithilfe von Erdgas hergestellt wird?

Blauer Wasserstoff, erzeugt aus fossilem Gas, hat im Energiemix der Zukunft nichts zu suchen. Er sollte daher von vornherein ausgeschlossen werden. Die Umwandlung ist ineffizient, es wird weiterhin Methanlecks geben und am Ende höchst problematische CO2-Endlager (CCS). Auf blauen Wasserstoff zu setzen, hilft dem Klima nicht – fossile Konzerne wollen damit nur ihr Geschäftsmodell möglichst lange aufrechterhalten.

Welche ethischen Probleme sehen Sie bei der Produktion eines Energieträgers wie grünem Wasserstoff im Ausland?

Unser Energiehunger darf nicht dazu führen, dass wir im Globalen Süden weiter Land- und Wasserressourcen ausbeuten und neokoloniale Strukturen fortschreiben. Die Industriegesellschaften müssen grundsätzlich umdenken. Die Industriegesellschaften müssen insgesamt weniger Energie verbrauchen und diese in allen Bereichen so effizient wie irgend möglich nutzen.

 

Das Gespräch mit Mira Jäger führte Sylvia Gierlichs