Zwischen Neckar und Alb
Bock auf Bio: Raus aus dem Büro und rein ins Beet

Geschäftsidee Sandra Herrmann hat ihr Leben radikal umgekrempelt. Ihren Job als Managerin in der Automobilindustrie hat sie an den Nagel gehängt und vertreibt jetzt Lebensmittel aus der Region. Von Philipp Braitinger

Es blüht und sprießt an allen Ecken und Enden: Rosenkohl, Bohnen, Sellerie, Gurken, Mangold, Tomaten und vieles mehr. Die warmen Temperaturen und der Regen der vergangenen Tage haben dem Garten von Sandra Herrmann sichtlich gut getan. Die 39-jährige hat ihren gut bezahlten Posten bei einem großen Stuttgarter Automobilhersteller aufgegeben, um sich mit dem eigenen lokalen Bio-Lebensmittelvertrieb „foodtprint“ selbstständig zu machen. „Es kam der Punkt, an dem ich dachte, ich muss etwas anderes machen. Es war nicht mehr mein Ding, das Feuer war aus“, beschreibt sie ihren Lebenswandel.

Die vergangenen Jahre habe sie in Japan gearbeitet. Insgesamt habe sie zwölf Jahre in der Industrie verbracht. Die Zeit während der Pandemie, die Arbeit im Homeoffice, hoher Zeitdruck und wenig Möglichkeiten zur Selbstentfaltung haben dazu geführt, dass sich die Managerin nicht mehr wohl gefühlt hat. Eine Krebsdiagnose habe schließlich den Ausschlag gegeben, ihr Leben umzukrempeln. Ihre Entscheidung bereut sie nicht, im Gegenteil: „Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich jetzt mache.“

Die Idee, regionale Bio-Lebensmittel zu vertreiben, habe sie noch in Japan gehabt. „Ich interessiere mich schon lange für gute Ernährung“, erklärt Herrmann. Sie hat ihren Job gekündigt, die Koffer gepackt und ist zurück nach Deutschland geflogen. Dass sie ihr Geschäft nun in Altbach aufzieht, ist kein Zufall. Sie sei in Stuttgart geboren, Familie und Freunde habe sie in der Region. Nach den Jahren im Ausland sei ihr bewusst geworden, wie bedeutend der persönliche Rückhalt ist. „Für mich war es wichtig, in die Heimat zurückzukommen.“

Für die Produktion der Lebensmittel hat sich Herrmann einen Garten gemietet. Dort sind bereits einige Hochbeete angelegt. Allerdings ist der bisherige eigene Ertrag noch nicht erhältlich. Die eigenen Beete dienen derzeit noch dem Testbetrieb. Die aktuellen Kisten werden seit Start des Unternehmens Mitte April mit Produkten örtlicher Landwirte befüllt. Herrmann sammelt die Produkte ein, die frisch vom Beet geerntet wurden, und liefert sie aus. Bestellen können die Kunden die Gemüsekisten mit unterschiedlichen Inhalten über die Homepage des Unternehmens.

„Tolles“ direkt vor der Haustür

Das Ziel der Unternehmerin ist es allerdings, auch die selbst angebauten Produkte auszuliefern. Sie habe jedoch bisher keine Erfahrung als Gemüse- und Salatzüchterin, gibt Herrmann zu. Der derzeitige Ertrag ihrer Hochbeete kann sich aber bereits sehen lassen. Es wächst eine Vielzahl an Salat- und Gemüsesorten. „Ich bin froh, Profis an der Hand zu haben“, sagt sie über ihre Geschäftspartner.

Zusammengefasst sollen die Lebensmittelkisten, regional, saisonal und gesund sein. „Manches Obts und Gemüse wird um die halbe Welt geschickt. Wir können nicht so weitermachen“, findet Herrmann. Viele Menschen hätten verlernt, hinzuschauen, was auf dem Tisch landet. „Dabei haben wir so viel Tolles direkt vor der Haustür.“ Es stecke viel Idealismus in ihrer Geschäftsidee, gibt Herrmann zu. „So wie wir die Erde behandeln, schaffen wir uns ab“, sagt sie.

Im Winter droht kein Abbruch der Lieferungen. Neben Herbstgemüse gebe es Äpfel, Karotten oder Kartoffeln, die bei richtiger Lagerung problemlos auch über den Winter genossen werden können. In Zukunft könnte sich Herrmann auch vorstellen, Kindergärten und Schulklassen über ihre Arbeit zu berichten. „Das wäre ein Traum“, sagt sie.

Die Aufklärung zur örtlichen Lebensmittelproduktion und zum gesunden Essen müsse bereits früh beginnen. Sorgen davor, mit der Verarbeitung der Produkte überfordert zu sein, müssen die Kunden nicht haben. Den Lebensmittelkisten wird ein Papier mit einfach zu kochenden Rezeptideen beigelegt. „Wir wollen die Angst nehmen“, sagt Sandra Herrmann. Wessen Kochkünste sich also bisher auf das Backen einer Tiefkühlpizza beschränken, kann sich gesund und regional weiterentwickeln.