Als Ellen Keller-Bitzer die Jahresstatistik zusammenstellt, traut sie ihren Augen kaum: „Für 2022 verzeichnen wir ein Allzeithoch bei Kinder- und Jugendbüchern“, sagt die Leiterin der Weilheimer Stadtbücherei. „Noch nie zuvor wurden so viele physische Medien innerhalb eines Jahres aus der Kinder- und Jugendabteilung entliehen wie 2022.“ Das scheint auf den ersten Blick in krassem Gegensatz zu den jüngsten Studien zu stehen, die Viertklässlern immer schlechtere Lesekompetenzen attestieren. Noch verwunderlicher: Die Kirchheimer Stadtbücherei beobachtet eine ähnliche Entwicklung. „Im Vergleich zu 2019 sind die Ausleihen von Kinder- und Jugendmedien um 13,5 Prozent gestiegen“, berichtet Carola Abraham, Leiterin der Stadtbücherei in Kirchheim. Was steckt hinter der neuen Lust am Lesen? Und welche Kinder- und Jugendbücher sind empfehlenswert? Wir haben Expertinnen gefragt und eine interaktive Grafik mit empfehlenswerte Büchern für verschiedene Altersstufen erstellt.
Um es gleich vorwegzunehmen: Ein Vergleich mit der Entwicklung auf Bundesebene ist aktuell – noch – nicht möglich. „Die Datenerhebung läuft noch“, sagt Gaby Heugen-Ecker von der Deutschen Bibliotheksstatistik (DBS). Zahlen gibt es deshalb nur bis zum Jahr 2021. Und eben jenes Jahr ist wie schon 2020 ein spezielles gewesen: „Die Beschränkungen und Bibliotheksschließungen haben konkrete Auswirkungen auf die Ausleihzahlen gehabt“, sagt Gaby Heugen-Ecker. Eine Umfrage bei Buchhandlungen in der Region zeigt: Zwar wächst auch dort das Interesse an Kinderbüchern – vor allem aber für eine Lesergruppe und längst nicht so deutlich wie in den beiden Bibliotheken.
Ellen Keller-Bitzer und Carola Abraham wollen auch nicht ausschließen, dass es 2022 gewisse Corona-Nachholeffekte gab. Allerdings ist das aus ihrer Sicht nicht ausschlaggebend, sondern vielmehr die aktive Leseförderung.
„Wir haben in den vergangenen Jahren viel in die Weilheimer Kinder- und Jugendbücherei investiert“, sagt Ellen Keller-Bitzer. Die neuen Sitzmöbel, die kleinen Roboter, Tablets und ein Edutainment-Panel wirken wie Magnete auf Kinder und Jugendliche. Auch bei den „echten“ Büchern ist Weilheim auf dem neuesten Stand: „Wir haben zusätzlich Etatanteile in die Kinderbücherei umgeleitet, sodass wir dort einen attraktiven und aktuellen Bestand haben.“
Genau da sind die Parallelen zur Kirchheimer Bücherei zu erkennen. „Im November 2020 wurde die neu renovierte Kinderbücherei eröffnet“, erläutert Carola Abraham. „Die Aufenthaltsqualität in der schönen, hellen Kinderbücherei und der noch attraktivere Medienbestand sind sicherlich mit ausschlaggebend für die Steigerung.“ Auch in Kirchheim ist zusätzliches Geld in das Angebot für den Nachwuchs geflossen: „Wir haben in der Corona-Zeit Etat umverteilt und in Kinder- und Jugendmedien und digitale Angebote – auch für Erwachsene – investiert.“ Möglich war das unter anderem durch Fördermittel.
Intensive Zusammenarbeit mit den Schulen
Ein weiterer Punkt, den Ellen Keller-Bitzer hervorhebt, ist die intensive Zusammenarbeit mit den Weilheimer Schulen. „Das Leseförderprogramm haben wir ja schon lange“, sagt sie. Gut angenommen wurde es schon immer. Jetzt, nach zwei Jahren Corona-Pause, wird die Stadtbücherei geradezu überrollt von Anfragen. „Die Nachfrage nach Klassenführungen ist so hoch, dass wir sie kaum bedienen können“, sagt die Weilheimer Büchereileiterin. Allein im vergangenen Jahr fanden nach Ende der Corona-Beschränkungen im April 53 Kooperationsveranstaltungen im Bereich Leseförderung statt. Dass sich diese Kooperation auszahlt, lässt sich übrigens mit handfesten Zahlen belegen: „Zwischen 80 und 90 Prozent der Weilheimer Schülerinnen und Schüler sind auch aktive Leser in der Bücherei.“ Fest steht aber auch, dass das nicht einfach so nebenher geht. „Die systematische Arbeit mit den Schulen bindet viel Personal“, betont die Weilheimer Büchereileiterin.
Das Fazit der Bibliotheken in Weilheim und Kirchheim: Der Ausleihboom kommt nicht von ungefähr. Dahinter stecken Arbeit und Geld. Die gute Nachricht: „Die Investitionen der vergangenen Jahre haben sich ausgezahlt“, fasst es Ellen Keller-Bitzer zusammen.
Vor allem bei einer Gruppe junger Leser gibt es Zuwächse
In den Buchhandlungen rund um die Teck möchte zwar niemand von einem Boom sprechen. Von einem vorsichtigen Aufwärtstrend aber schon: „Die Nachfrage nach Kinderbüchern steigt wieder“, sagt Leonie Hinz vom Buchhaus Zimmermann in Kirchheim. Sie sieht durchaus auch einen Zusammenhang mit den Ergebnissen der Studien, die vielen Grundschülern mangelnde Lesekompetenz attestieren. „Leseförderung wird immer wichtiger“, sagt sie. Entsprechend wachse das Bewusstsein dafür. Und zwar auf allen Seiten. „Die Verlage bringen immer mehr Erstlesebücher mit mehr Bildern und weniger Text heraus“, so Leonie Hinz. Beispielsweise gibt es mittlerweile beliebte Reihen wie „Die drei ???“ oder „Die Schule der magischen Tiere“ extra für Leseanfänger aufbereitet. Gleichzeitig beobachtet sie aber auch, dass wieder mehr Kunden kommen und Bücher für junge Leser kaufen möchten.
Nach dem Lockdown sind Bücher wieder mehr gefragt, hat Karin Schad vom Leseladen in Kirchheim festgestellt. „Vor allem Kinderbücher sind immer noch wichtig.“ Auch Yvonne Peter von Das Buch in Weilheim bemerkt eine Veränderung: „Vor ein paar Jahren waren Bilderbücher weniger gefragt. Das hat wieder zugenommen.“ Vor allem Vorlesebücher für Kinder ab vier oder fünf Jahren waren im vergangenen Jahr ein Renner. „Da haben wir tatsächlich Zuwächse.“ Ernüchternd dagegen sind die Zahlen bei den Jugendlichen. „Da lässt die Nachfrage leider zu wünschen übrig.“
Interaktive Grafik: 26 Buchtipps
Wie kann man Kinder zum Lesen motivieren? Eine von vielen Antworten darauf lautet: mit einem guten Buch. Der Teckbote hat Buchhändlerinnen und Bibliothekarinnen aus der Region befragt. Sie geben Büchertipps – für die ganz Kleinen, für Leseanfängerinnen und -anfänger, aber auch für ältere Kinder und Jugendliche. Insgesamt 26 Bücher, aufgeteilt in vier Alters- und Lesestufen, hat der Teckbote in einer interaktiven Grafik zusammengestellt.
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(Info: Die Grafik wurde über einen externen Anbieter erstellt. Der Teckbote übernimmt für die Funktionalität keine Verantwortung.)