Es ist eng geworden bei den Jungs der „Braurevolution“ in Notzingen. Die Kühlkammer steht voller Biertanks, an den Wänden stapeln sich die Bierkisten, und brauen müssen sie derzeit noch ganz woanders: in der Stiftsscheuer in Kirchheim. Das bedeutet, jedes Mal 300 Liter nach Notzingen zu fahren und umzupumpen - „schlauchen“ nennt das der Bierbrauer.
Das ist ein gutes Stichwort: Dass der 300-Liter-Braukessel und Abfüllung samt Gärkammer 3,6 Kilometer voneinander entfernt stehen, schlaucht auch die beiden Bierbrauer der „Braurevolution“ zunehmend. Bei drei bis sechs Brautagen pro Woche kommt einiges an Fahrzeit zusammen. „Es wäre viel einfacher und zeitsparender, wir könnten zeitgleich brauen und abfüllen“, sagt Marc Schmidt, einer der beiden Gründer.
Es gibt noch ein weiteres Problem, das aber für den Erfolg der 2015 gegründeten Brauerei spricht: Viele Sorten sind immer häufiger ausverkauft, weil die Lagerkapazitäten nicht ausreichen. Die Lösung: Die „Revolution“ braucht eine neue Heimat, und die soll am Stadtrand von Kirchheim entstehen. Die Pläne für eine verglaste Halle im Industriedesign mit ausreichend Parkplätzen und eigener Photovoltaikanlage gibt es schon, bis September 2019 will sie ein Unternehmer gebaut haben. Die beiden sind als Pächter gewissermaßen „gesetzt“, momentan fehlt ihnen aber noch das nötige Kleingeld für die notwendige Ausrüstung: eine Zehn-Hektoliter-Brauanlage sowie deren Installation. „Sie steht schon in Kirchheim, aber sie gehört noch nicht uns“, sagt der 28-jährige Felix Ungerer schmunzelnd. Aktuell sammeln sie auf der Internetplattform startnext.com Geld mit Mikroinvestoren. Mit diesem „Crowdfunding“ sollen 25 000 Euro für die Anlage zusammenkommen. Ende 2019 soll es dann ihr Bier in der eigenen Brauwirtschaft geben, bei der man die Produktion direkt durch Glasscheiben beobachten kann. Sowohl innen als auch draußen wird man dann sitzen und eine Brotzeit zum Bier der „Braurevolution“ genießen können. Marc Schmidt freut sich vor allem auf ausgewählte Gastro- und Grill-Events. „Es gibt ja in Kirchheim kein richtiges Barbecue. Wir kennen einen richtigen Profi, der das bei uns machen würde, natürlich mit unserem Bier“, sagt er. Es werde aber keine „Massenabfertigung“ geben, sprich: Die neue Heimat der „Braurevolution“ wird keine Bierschenke, das Brauen bleibt auch dort die Hauptsache. Dass Gäste zuschauen, ist aber ausdrücklich erwünscht. „Die Leute sollen sehen, wo das Bier herkommt“, sagt Felix Ungerer.
Aktuell brauen die beiden nach eigenen Angaben 45 000 Liter pro Jahr, gelten damit als sogenannte „Mikrobrauerei“. Zehn Prozent verkaufen sie über die Gastronomie, 90 Prozent direkt im Zentrum der „Revolution“, der ehemaligen Schlecker-Filiale in Notzingen. Obwohl ihre Biere „Aufruhr“, „Revolte“ und „Meuterei“ heißen, wollen die beiden nicht das Bierbrauen auf den Kopf stellen. Auch als „Revoluzzer“ möchten die ausgebildeten Brauer und Mälzer nicht bezeichnet werden. „Wir wollen das Bier nicht neu erfinden, nur neu definieren“, sagt Felix Ungerer. Dabei bleiben sie aber bei den Ursprüngen des Bieres und brauen nach dem Reinheitsgebot. „Pfeffer und Koriander kann man gerne dazutun, dann ist es aber ein anderes Getränk“, meint Marc Schmidt. Ihr „Aufruhr“ ist zum Beispiel ein ganz klassisches Helles. „Das ist die Königsdisziplin, weil es keine Braufehler verzeiht“, ergänzt er.
Gerade bei den handwerklich gebrauten Bieren mit geringem Jahresausstoß ist der Variantenreichtum groß, und je ausgefallener der Geschmack und die Hopfung, umso mehr „Hipster“ in den Großstädten fahren darauf ab. Damit können die Braurevolutionäre überhaupt nichts anfangen. Sie wollen auch die „normalen“ Biertrinker überzeugen, haben daher auch ihre Preise relativ moderat gehalten. Ob sie ein Bier auf den Markt bringen oder nicht, entscheidet nur ein Kriterium, sagt Felix Ungerer: „Einem von uns beiden muss es schmecken.“ Und das wird sich auch am neuen Brau- und Ausschankort in Kirchheim nicht ändern.