Zwischen Neckar und Alb
Brexit-Hotline bereitet auf Ernstfall vor

Beratung Der geplante EU-Austritt der Briten hat wirtschaftliche Folgen, auch für Unternehmen in der Region. Eine Brexit-Hotline bereitet darauf vor. Von Simone Weiß

Britisches Pfund verliert an Wert“ - „Niederlage bei Brexit-Abstimmung“ - „Briten beginnen mit EU-Austritt“ - „Was Johnson vorhat“. Die Schlagzeilen überschlagen sich, die Sachlage ändert sich ständig, nichts ist sicher. Der Brexit - das unbekannte Wesen. Doch zwei Frauen behalten dabei kühlen Kopf. Sabine Strüver beantwortet an der Brexit-Hotline der IHK Region Stuttgart Fragen rund um Großbritanniens europäische Abkehr, und Anja Birkhold, für Außenwirtschaft zuständig, hilft bei bürokratischen Hürden weiter.

„Der Brexit ist mein Hobby“. Sabine Strüver lacht. Stimmt nicht ganz, aber der mögliche Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Staatengemeinschaft beschäftigt sie auch in ihrer Freizeit. Die 31-Jährige hat ihren Bachelor in International Business, ihren Master in General Management gemacht, sie spricht Englisch, Französisch, Spanisch, Niederländisch und ein bisschen Chinesisch - und sie ist IHK-Länderreferentin für Afrika südlich der Sahara und Westeuropa. Daher kümmert sie sich auch um die Brexit-Hotline - und sie muss in dieser Funktion bei einer sich ständig verändernden Nachrichtenlage stets auf dem Laufenden bleiben: „Immer informiert sein, lautet die Devise.“ Besonders zu Jahresbeginn, als der 31. März noch als Termin für den EU-Austritt stand, bekam sie viele Anfragen von Mitgliedsbetrieben zum Brexit.

Zum 31. Oktober steht nun der No-Deal-Brexit, der harte Austritt ohne Abkommen, im Raum - und die Expertin rät allen Unternehmen, sich auf diesen schlimmsten aller Fälle einzurichten. Große Unternehmen, weiß Sabine Strüver, haben weniger Probleme mit dieser Umstellung, da sie auf die Zusammenarbeit mit Drittländern eingestellt sind. Doch auf kleine und mittlere Betriebe, die bisher nur Handel im europäischen Binnenmarkt betrieben haben, kämen viele Neuerungen zu - die Zollabwicklung mit einem Drittland, veränderte Zollbestimmungen, andere Regelungen für Mitarbeiter in Großbritannien, veränderte Vertragsbestimmungen. Betriebe mit Handelskontakten nach Großbritannien müssten mit mehr bürokratischen Hürden und dem Wegfall von EU-Vergünstigungen rechnen. An der Hotline könne sie nur Ratschläge geben - die Entscheidung über eine Weiterführung oder eine Neuaufnahme von Handelsbeziehungen zum Vereinigten Königreich müsse jedes Unternehmen selbst treffen. Lohnenswert könne das weiterhin definitiv sein: Schließlich sei Großbritannien der sechstwichtigste Exportmarkt für Unternehmen aus Baden-Württemberg gewesen.

Brexit bedeutet somit mehr Bürokratie. Doch beim Überspringen dieser Hürden hilft Anja Birkhold weiter. Bei der IHK ist die 35-Jährige für Recht, Unternehmensförderung und eben Außenwirtschaft zuständig und sie weiß, mit sperrigen, bürokratielastigen Inhalten umzugehen. Innerhalb der Europäischen Union sind die administrativen Schranken niedriger, beim Handel mit Drittstaaten muss mit einem erhöhten Aufwand gerechnet werden. Beispiel: Carnet. Diese Bescheinigung muss bei der vor- übergehenden Einfuhr von Waren beim Zoll vorgelegt werden und zeigt an, dass die in ein Drittland eingeführten Produkte wieder ausgeführt und ins Heimatland mitgenommen werden. Das Dokument gilt für Berufsausrüstungen, für Ausstellungen und Messen sowie für Warenmuster. Auch Ursprungszeugnisse werden von Anja Birkhold für Unternehmen im Kreis Esslingen ausgestellt - sie können auch elektronisch bearbeitet werden und ersparen so den Unternehmen Fahrtaufwand. Diese Zertifikate bescheinigen, wo ein Produkt hergestellt wurde, und sie müssen beim Zoll vorgelegt werden. Beim Handel innerhalb der EU-Grenzen werden diese Ursprungszeugnisse nicht gebraucht, beim Warenverkehr zwischen verschiedenen Drittländern sind sie je nach nationalen Regelungen und Abkommen nötig. Brexit - und jede Menge Auswirkungen. Denn eines ist laut Sabine Strüver sicher: „Eine Win-win-Situation wäre der Austritt Großbritanniens aus der EU nicht.“