Der jesidische Angestellte der Bäckerei Scholderbeck wird nicht in den Irak abgeschoben – zumindest so lange, bis entschieden ist, ob es sich bei seiner Situation um einen Härtefall handelt. In der Plenarsitzung am Donnerstag, 22. Mai, erkundigte sich der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Kenner sowohl nach der Chance des Mitarbeiters auf Asyl als auch einem Abschiebestopp für Jesidinnen und Jesiden in den Irak.
Der 23-Jährige ist vor drei Jahren nach Deutschland gekommen und war seit Dezember vergangenen Jahres bei der Bäckerei angestellt. Als Asylbewerber hatte er eine sogenannte Arbeitsduldung – einen rechtlichen Status, durch den Asylsuchende, die eigentlich ausreisepflichtig sind, für einen befristeten Zeitraum im Land bleiben können, um legal zu arbeiten.
Obwohl sich der junge Mann während seiner Zeit in Deutschland gut integriert hatte, wurde sein Asylantrag abgelehnt. Er soll in den Irak abgeschoben werden. Für Jesidinnen und Jesiden ist die Lage im Irak allerdings weiterhin prekär. Erst 2023 erkannte der Deutsche Bundestag die Verbrechen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ an der jesidischen Bevölkerung als Genozid an. Besonders in der der Region Sindschar im Nordirak, der historischen Heimat der Jesiden, ist das Leben weiterhin von Unsicherheit, Verfolgung und Armut geprägt.
Vor diesem Hintergrund wendete sich Andreas Kenner an die Landesregierung und wollte wissen, warum sie keinen vorübergehenden Abschiebestopp für Jesidinnen und Jesiden in den Irak erlassen hat, der auch die Abschiebung des Scholderbeck-Mitarbeiters verhindern würde.
Das Land plant keinen Abschiebestopp
Marion Gentges, Ministerin für Justiz und Migration, verwies in ihrer Antwort auf den kürzlich erschienen Lagebericht des Auswärtigen Amts. Aus diesem gehe hervor, dass die Rückkehr in einzelne Siedlungsgebiete der Minderheiten im Nordirak, weiterhin „erheblich erschwert“ seien, ein „weitergehender Schutz vor Gewalt und Verfolgung“ für Minderheiten jedoch in der Region Kurdistan/Irak gegeben sei, womit eine inländische Fluchtalternative bestehe. Grundsätzlich erfolge „keine systematische Verfolgung oder Diskriminierung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Akteure in der Republik Irak“.
Aufgrund dieses Lageberichts sei nicht von einer allgemeinen Gefährdungssituation auszugehen, weshalb Baden-Württemberg keinen Abschiebestopp für Jesidinnen und Jesiden erlassen hat und es derzeit auch nicht beabsichtige. Gentges ergänzte, dass zeitweilige Abschiebestopps anderer Länder nur für jesidische Frauen und Kinder, nicht aber für erwachsene Männer, erlassen worden sei. „Das heißt: Der Abschiebestopp hätte im konkreten Einzelfall die Situation auch gar nicht geändert.“
Ebenso betonte die Ministerin, dass jeder Abschiebung eine „individuelle Prüfung“ vorausgehe, in deren Rahmen auch beurteilt werde, ob humanitäre Hindernisse vorliegen, die gegen eine Abschiebung sprechen. Diese Entscheidung werde im Einzelfall getroffen und obliege dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), an dessen Entschluss die Ausländerbehörden im Land gebunden seien.
Es ist noch nichts entschieden
Die einzige Chance des Scholderbeck-Mitarbeiters auf eine Legalisierung seines Aufenthaltsstatus ist die Anerkennung eines Härtefalls. Im Fall des 23-Jährigen habe die Kommission die Anfrage erhalten, allerdings sei noch keine Entscheidung getroffen. Bis dies geschehen ist, werde die Abschiebung ausgesetzt. Zu der Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung für einen Härtefall äußerte sich die Ministerin nicht: „Die Härtefallkommission ist ein unabhängiges Gremium, sodass ich nicht einschätzen kann, wie es ausgeht, sondern einfach abwarte.“
Der grüne Landtagsabgeordnete Andreas Schwarz teilt die Position seines Wahlkreis-Kollegen Andreas Kenner. Für ihn ist unverständlich, weshalb ein Asylbewerber, der in Deutschland arbeite und sich um Integration bemühe, das Land verlassen müsse. Das, so Schwarz, könne nicht sein, weshalb er darauf hoffe, dass die Härtefallkommission zugunsten des jungen Irakers entscheide.